Ich bin drin!
Vor 20 Jahren, am 6. August 1991, stellte Tim Berners-Lee der Welt das World Wide Web (WWW) vor. Ganz nebenbei erfand er auch gleich den ersten Browser, worauf die Zahl der Internet-Nutzer explodierte. Spätestens nachdem Boris Becker im Oktober 1999 in einem Werbefilmchen verkündete: „Ich bin drin“, machten es ihm auch hierzulande Millionen nach. Unser Leben hat sich seitdem vereinfacht, oder etwa nicht?
20 Jahre World Wide Web
Wenn wir uns daran erinnern, dass Internet und World Wide Web (WWW) nicht dasselbe sind, wissen wir, dass es Ersteres schon lange vorher gab. Und auch Personal Computer. Der britische Physiker und Informatiker Tim Berners-Lee krankte jedoch während seiner Forschungsarbeit in der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) in Genf daran, dass Informationen nicht zwischen den Kollegen in der Schweiz und in Frankreich ausgetauscht werden konnten.
So erfand er die noch heute verwendete Hypertext Markup Language (HTML), eine Auszeichnungssprache (und nicht Programmiersprache, wie oft behauptet, da sie nicht programmiert, sondern schlicht geschrieben wird!), die es ermöglicht, neben der Struktur von Texten und Bildern vor allem Hyperlinks zu verwenden, durch die das WWW überhaupt erst funktioniert. Seine erste Webseite kann man im Archiv des von ihm gegründeten World Wide Web Consortium (W3C) noch heute ansehen, ebenso die dortige Projektseite The World Wide Web project. Was aussieht wie des Autors erste eigene, während seiner Weiterbildung zum Mediengestalter Digital und Print geschriebene HTML-Seite, sollte das Internet revolutionieren.
Zusammen mit der Erfindung eines Browsers, von ihm einfach „WorldWideWeb“ genannt (auch hiervon existieren noch Bildschirmfotos, so bei CERN und auf Wikimedia Commons), schuf er damit die Grundlagen des WWW, wobei ihm immer wichtig war, keine kommerziellen Interessen mit seiner Erfindung zu verfolgen. Kurz darauf explodierte die Zahl der Internet-Nutzer geradezu: von 600 000 auf 40 Millionen!
Wir als Computernutzer erfuhren schon früh, wie einfach das Leben mit einem solchen Internet ist, auch wenn die ersten Tastaturen noch Bretter und die Bildschirme Ungetüme, zudem noch mit grüner Schrift auf schwarzem Hintergrund waren. Man denke etwa an das Schreiben und platzsparende Speichern von längeren Texten, die Aufbewahrung von Bildern u. Ä., aber auch (schmerzlich!) daran, wie zügig das Vernichten von kompletten Bildersammlungen, Seminar- oder Examensarbeiten, von Firmenunterlagen, Plänen usw., am Arbeitsplatz ganz zu schweigen, vonstatten gehen kann, wenn man mal nicht aufgepasst und den falschen Knopf gedrückt hat oder durch Computerviren, auch eine „Errungenschaft“ des WWW, oder das Betriebssystem neu installieren muss, weil es komplett abgestürzt ist.
Doch erst die Erfindung von Berners-Lee machte aus einem Rechner das, wofür wir ihn heute hauptsächlich nutzen, nämlich für die Dienste des Internet und damit auch des WWW. Spätestens, nachdem Boris Becker im Oktober 1999 in einem Werbefilmchen verkündete: „Ich bin drin“ und wie leicht das sei, mussten wir das auch haben. Heute lässt sich ein Leben ohne diese Errungenschaften nicht mehr vorstellen, denn es ist doch vieles einfacher geworden! Ein Buch wird nicht mehr in der Buchhandlung besorgt, eine Reise nicht mehr im Reisebüro, sondern online. Wir schauen in Versteigerungsportale und suchen Schnäppchen, in Partnerportalen nach einem Partner und, anstatt auf das Thermometer vor oder einfach nur aus dem Fenster zu schauen, suchen wir im WWW nach dem Wetterbericht. Was wir früher einem geheimen Tagebuch oder Poesiealbum anvertrauten, veröffentlichen wir nun in einem für jedermann einsehbaren Blog. Und anstatt jemanden zu besuchen oder wenigstens anzurufen, schreiben wir lieber eine E-Mail: Das geht schneller und kostet weniger. Dafür haben wir ja im WWW so viele „Freunde“ wie im sonstigen Leben nicht! Und, nun ja, bevor wir Männer mit hochrotem Kopf ein schmuddeliges Pornokino aufsuchen müssen, machen wir das bequem von zu Hause in einem der vielen Videoportale, völlig unbeobachtet und die nötigen Accessoires gleich griffbereit.
„Ich bin drin“, und so kann man ganze Tage online verbringen, wenn sich nur von Zeit zu Zeit nicht so reale, gleichzeitig angesichts der Verbundenheit mit der ganzen (worldwide) Welt so banale körperliche Bedürfnisse melden würden: Hunger und Durst! Der Autor erinnert sich an Sätze wie „Wer nicht drin ist, ist draußen“ oder „Wer nicht im WWW zu finden ist, existiert nicht“, aber auch an eine Spaß-Fehlermeldung, die in typischem Windows-2000-Stil warnte: „You are online now since one year!“, und dann zwei Optionen bot: „Cancel“ oder „Remind me next year“.
Bei der Gelegenheit: Müssen Sie nicht auch gerade mal im WWW nach der Pizzeria am Eck suchen?
Verweis zum Thema:
Welcome to info.cern.ch zur Geschichte des WWW (englisch, dort gibt es auch einen Verweis auf eine französische Version)
Pingback:Einsamkeit und Alleinsein – Ronalds Notizen
Pingback:Kostenlose HTML-Editoren für Ihre Website – Setzfehler
Pingback:140 Zeichen (53) – Ronalds Notizen
Pingback:Was Sie schon immer (nicht) wissen wollten (26) – Ronalds Notizen
Pingback:„Über 50 Jahre Computer-Praxis“ – Ronalds Notizen