Bücher
When my father died it was like a whole library
Had burned down.
(aus Laurie Anderson: World Without End)
Die Erfindung des Buchdrucks (und damit des Schriftsatzes mit beweglichen Lettern) wird als eine der umwälzendsten und folgenreichsten der menschlichen Kulturgeschichte betrachtet. Die Erfindung der Dampfmaschine gehört ebenso dazu wie die des späteren Verbrennungsmotors oder, in neuerer Zeit, der Computer und des Internets.
Heutzutage und hierzulande eine Dampflok zu sehen, kommt schon einem großen Glücksfall gleich. Verbrennungsmotoren sind immer noch gang und gäbe, obwohl diese Technik durch den Klimawandel zu Recht immer mehr in Verruf gerät. Und dass die Computerisierung die Welt veränderte, steht, auch für dessen Kritiker, außer Frage. Die Tendenz, ein Buch in die Hände zu nehmen und darin zu lesen, geht leider immer mehr zurück, obwohl es sie immer noch gibt und bei normalem Gebrauch weder der Gesundheit schaden noch die Atmosphäre vergiften. Wenn Literatur, dann aus dem Netz, und auch Hörbücher werden immer beliebter.
Lesen am Bildschirm: auf Dauer ungesund!
Davon abgesehen, dass das Lesen am Bildschirm auf Dauer gesundheitlich nicht gerade angebracht ist und dass Hörbuchversionen kursieren, die dermaßen grauenhaft gekürzt sind, dass die durch die Streichungen entstandenen Ungereimtheiten sogar jemandem auffallen müssten, der das entsprechende Buch nicht gelesen hat, ist es schade, dass man sich damit eines einzigartigen Genusses beraubt, den das Lesen eines echten Buchs bietet! Gutes Licht, eine bequeme Sitzmöglichkeit, eventuell ein guter Wein und etwas zu rauchen, und es lässt sich für Stunden die Zeit vergessen und in eine andere eintauchen — geradezu ein Weg zur Transzendenz.
Aber nicht nur Inhalte und Leseatmosphäre, sondern auch das Medium Buch an sich können faszinierend sein! Mag sich die Ansicht durchsetzen, dass die Zeit des bedruckten Papiers zur Weitergabe und Speicherung von Informationen schon bald vorbei sein wird: Bücher selbst bleiben bestehen, und seien es einige hundert Jahre oder mehr. Von der möglichen zeitlichen Begrenztheit in der Haltbarkeit digitaler Speichermedien will ich hier erst gar nicht reden!
Uralte Bücher
Während meiner befristeten Aushilfstätigkeit in der Bibliothek des Städel-Museums hatte ich jeden Tag Dutzende, wenn nicht gar Hunderte von Büchern in der Hand. Eines der ältesten war ein Werk von 1751 über die Kaiser- und Königsgräber im Speyerer Dom.
Im Gegensatz zu vielen Werken aus dem letzten Jahrhundert, deren Seiten oft vergilbt sind, blieben die eines Buchs aus, sagen wir, dem 18. Jahrhundert, weiß. Allerdings wellen sie sich mitunter mehr oder weniger stark. Damals wurde nämlich oft auf handgeschöpftem Hadern- bzw. Büttenpapier gedruckt — heute eine Kostbarkeit im Schreibwarenladen! Es fühlt sich etwas rau an, da es früher nicht gewalzt wurde. Wenn Seiten nicht aufgeschnitten sind, lässt das darauf schließen, dass das Buch noch „jungfräulich“ ist und noch auf seine Leser/-innen wartete.
Die Druckfarben sind durch Feuchtigkeit oft etwas verwischt und erinnern an Aquarellfarben, der Text ist trotzdem lesbar. Das Schwarz ist mit dem Tiefschwarz moderner Farbherstellung nicht vergleichbar, es ist eher ein dunkles Braun. Abbildungen wurden einzeln mit der Hand auf leere Seiten geklebt oder als ganze Blätter in den Buchblock eingefügt (zusammen mit Zwischenblättern aus Pergament zum Schutz der Bilder), da sie in einem gesonderten Druckvorgang hergestellt wurden. Davon abgesehen, dass der Einband und besonders der Buchrücken oft stark in Mitleidenschaft gezogen wurde und sich löst, ist die eigentliche Bindung, die Fadenheftung, die jedes schlecht geleimte Taschenbuch heutiger Zeit alt aussehen lässt, häufig noch völlig in Ordnung.
Unglaubliche drucktechnische Qualität
Auch habe ich im Lichtdruck hergestellte Kunstdrucke gesehen, die von einer drucktechnischen Qualität waren, die mit keinem Ausdruck einer Offset-Druckmaschine vergleichbar ist. Allein schon deshalb, weil man hierfür keine Raster verwendete, die jedes Motiv in mehr oder weniger große Punkte auflösen. Ergebnisse also, die vom Original einer Radierung oder eines Stiches so gut wie nicht zu unterscheiden sind!
Bücher selbst sind Kunstwerke, die man entsprechend behandeln sollte. Das Umknicken von Seitenecken als Lesezeichen etwa, wie ich es immer wieder in aus Büchereien ausgeliehenen Büchern vorfinde, sollte sich von alleine verbieten! Aber dazu müsste man ja erst einmal ein Buch in die Hand nehmen und sogar darin lesen …
(Siehe zum Thema „Bücher“ hier z. B. auch „Bücher, Texte und das Universum“!)
Von den Details des Buchdrucks habe ich nicht so viel Ahnung wie Du, aber ich kenne das Eintauchen in eine Lektüre und das manchmal sogar widerwillige Zurkenntnisnehmen des Endes. Man kommt wieder im Hier und Jetzt an und erinnert sich gerne zurück. Lesen ist gewissermaßen geistiges Reisen. Und manchmal wiederholt man eine Reise und entdeckt beim zweiten Mal noch ein paar Details, die im ersten Gesamteindruck übersehen wurden.
Ich habe einmal versucht, ein Hörbuch zu hören, das ich ausgeliehen hatte. Vielleicht war es das falsche Buch, aber ich fand es grauenvoll langweilig, mich auf die Sprechgeschwindigkeit des Sprechers einzulassen. Ich stelle es mir ähnlich vor, wie wenn man eine Buchverfilmung guckt, nachdem man das Buch schon gelesen hat. Für die neuen Medien wird viel weggelassen.
Lieber in einer gut beleuchteten Sofaecke mit dem Buch in der Hand oder im Bett lesen. Und so schnell verdirbt man sich die Augen auch nicht.
Noch bevor ich Deinen Satz über die zeitliche Begrenztheit der Speichermedien gelesen hatte, erinnerte ich mich an meine berufliche Begegnung mit dem Thema langfristige Datenspeicherung. Wir hüten heute Bücher, die viele hunderte Jahre alt sind als Schatz, der Welt- und Menschheitswissen speichert. Nun speichern Computer sicher nicht ausschließlich kulturell wertvolle Informationen, aber wer die technische Entwicklung nur der letzten zwanzig bis dreißig Jahre beobachtet hat, der kann sich vielleicht sogar als Laie vorstellen, was von unseren auf Windows-PCs gespeicherten Daten in 50 oder gar 500 Jahren noch lesbar ist. Und was auf minderwertigem Papier gedruckt dann noch lesbar sein wird, sei dahin gestellt…
Von „unseren auf Windows-PCs gespeicherten Daten“ dürfte schon in spätestens 50 Jahren nichts mehr lesbar sein, da die Haltbarkeit der Festplatte beschränkt ist und zudem Hardwarefehler dafür sorgen können, dass diese schon vorher nicht mehr benutzbar ist. Das universelle Problem der Langzeitarchivierung ist ebenso keineswegs gelöst (siehe dazu die Abschnitte „Langzeitarchivierung“ unter „Festplatte“ und „Bestandserhaltung“ unter „Archiv“ der entsprechenden Wikipedia-Artikel).
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