Lass es frei!
Es gibt Sätze, die wir einmal lesen und dann nie wieder vergessen. Und mehr noch: Sie können geeignet sein, uns ein ganzes Leben lang zu begleiten und dieses sogar zu beeinflussen. Bei mir war es der Satz: Lass es frei! Ich erzähle, wie es dazu kam.
Im alten und damit auch ersten Kulturzentrum „Fabrik“ in Hamburg gab es vor dem Brand 1977 eine Pinnwand, auf der jeder Zettel mit irgendwelchen Nachrichten oder Sprüchen anbringen konnte (siehe das 360-Grad-Bild von Hamburger Jung auf Flickr vom 13. Januar 2009).
Unter den vielen Sprüchen, die die Besucherinnen und Besucher dort angehängt hatten, hat mich einer bis heute nicht verlassen. Es kursieren verschiedene Versionen dieses anscheinend inzwischen geflügelten Worts. Ein ähnlich lautendes, aber semantisch einfacheres Sprichwort soll auf Konfuzius zurückgehen, habe ich später herausgefunden. Ich verlasse mich auf meine Erinnerungen:
Wenn du etwas liebst, lass es frei!
Kommt es zurück, ist es dir.
Kommt es nicht zurück, war es nie gewesen.
In diesem Sinne: ein gutes neues Jahr all meinen Leserinnen und Lesern!
(Siehe hier etwa auch Geliebt“, ein Adorno-Zitat!)
Nachtrag vom 23. Juni 2015: Laut dem Gastbeitrag „Die Königsdisziplin der Liebe“ von Markus Tiedemann, Professor für Philosophie in Mainz, in der Frankfurter Rundschau vom Wochenende 20./21. Juni 2015 geht das Zitat „Lass es frei“ auf ein englisches Sprichwort zurück. Bei dem Fund in der Hamburger Fabrik handelt es sich also um eine wörtliche Übersetzung von:
If you love something, set it free! If it comes back, it’s yours. If it doesn’t, it never was.
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Der Spruch enthält viel Weisheit.
Im Vertrauen darauf, dass sich alles zum Guten wenden wird, sollte man loslassen können, was man hat, und nicht krampfhaft suchen, was noch fehlt.
Den meisten Menschen fehlt dieses Vertrauen. Mir fehlt es manchmal auch, aber ich übe.
Zum Thema passend hab ich noch einiges gefunden:
„Beim Streben nach Wissen wird täglich etwas hinzugefügt.
Bei der Einübung ins Tao wird täglich etwas fallen gelassen.“
„Die Meister beobachten die Welt, vertrauen aber ihrer inneren Sehkraft. Sie lassen die Dinge kommen und gehen.
Ihr Herz ist offen wie der Himmel.“
Beides von Laotse: Tao Te King, Peter Kobbe (Übers.)
„Hier also der Widerspruch, daß der Mensch das, was er will, durch sein Wollen zunichte macht. Aus diesem Widerspruch entsteht jene innere umtreibende Bewegung, indem das Suchende das, was es sucht, gleichsam in einer beständigen Flucht vor sich her treibt.“
Friedrich Schelling: Über die Natur der Philosophie als Wissenschaft, in Bubner, Rüdiger (Hrsg.): Geschichte der Philosophie, Deutscher Idealismus
Bin nach inzwischen sehr langer Zeit wieder einmal auf diesen alten Beitrag gestoßen und musste feststellen, dass ich diesen Kommentar noch gar nicht gewürdigt habe.
Zum zweiten Absatz: Leider leben wir in einer Gesellschaft, in der jede(r) immer mehr möchte. Das bringt allerdings mit sich, dass wir Dinge, die wir bereits „besitzen“, gar nicht mehr würdigen können. Von daher kann deine Meinung nur ein frommer Wunsch sein.
Zu Laotse: Hier bringst du Gelassenheit ins Spiel, was zwar ein wichtiger Aspekt unseres Lebens sein sollte, aber nicht unbedingt Intention meines damals in Hamburg gefundenen Zitats ist.
Zum Schelling-Zitat: Darüber habe ich der Zwischenzeit einen, so glaube ich, eine ganz interessante Notiz verfasst: „Seines Glückes Schmied sein?“. Ich denke, dass er ganz auf Schellings Linie liegt.
Ein verspäteter Dank noch für deinen Kommentar!
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