Das siebte Flugblatt
„Hitler und sein Regime muss fallen, damit Deutschland weiter lebt.“
Die „Weiße Rose“ und ihre Mitglieder, darunter hauptsächlich Willi Graf, Kurt Huber, Christoph Probst, Alexander Schmorell, Hans und Sophie Scholl, verfassten, druckten und verteilten unter Lebensgefahr insgesamt sechs (auch heute noch oder wieder lesenswerte) Flugblätter, in denen sie zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus aufriefen. Das siebte Flugblatt wurde jedoch nie verteilt.
Das siebte Flugblatt sollte für die Gestapo das einzige Beweisstück bleiben, mit dem sie Christoph Probst als Gegner des Nationalsozialismus überführen konnten. Bei seiner Verhaftung trug es Hans Scholl als Entwurf von Probst bei sich. Es gelang ihm jedoch, es zu zerreißen. Hier der von Probst selbst rekonstruierte Inhalt des siebten Flugblatts in der originalen Diktion, lediglich allzu offensichtliche Fehler wurden korrigiert:
Das siebte Flugblatt
Geheime Staatspolizei
Staatspolizeileitstelle MünchenB.Nr. 13226/43 II A/Sondk.
München, den 21. Febr.1943
P r o b s t Christoph aus der Pol.Haft vorgeführt und zum Text seines Manuskripts befragt, erklärt folgendes:
Auf Grund der mir vorgelegten Unterlagen – Maschinenschriftübersetzung – und Photokopie des Originals, bin ich in der Lage die Lücken wie folgt zu ergänzen:
Stalingrad!
200000 deutsche Brüder wurden geopfert für das Prestige eines militärischen Hochstaplers. Die menschlichen Kapitulationsbedingungen der Russen wurden den geopferten Soldaten verheimlicht. General Paulus erhielt für diesen Massenmord das Eichenlaub. Hohe Offiziere haben sich im Flugzeug aus der Schlacht von Stalingrad gerettet. Hitler verbot den Eingekesselten sich zu den rückwärtigen Truppen zurückzuziehen. Nun klagt die Flut von 200000 dem Tod geweihten Soldaten den Mörder Hitler an.
Tripolis! Es ergab sich bedingungslos der 8. englischen Armee. Und was taten die Engländer, sie liessen das Leben der Bürger in den gewohnten Geleisen weiter laufen. Belassen sogar Polizei und Beamte in ihren Stellen.
Nur eines machten sie gründlich, als sie säuberten die grösste italienische Kolonialstadt von allen falschen Rädelsführern und Untermenschen. Mit tödlicher Sicherheit kommt die vernichtende, erdrückende Übermacht von allen Seiten herein. Viel weniger als Paulus kapitulierte, wird Hitler kapitulieren. Gäbe es doch für ihn denn kein Entkommen mehr. Und wollte Ihr Euch genau so belügen lassen wie die 200000 Mann, die Stalingrad auf verlorenem Posten verteidigten, dass ihr massakriert, sterilisiert oder Eurer Kinder beraubt werdet? Roosevelt, der mächtigste Mann der Welt, sagt am 26.Februar 1943 in Casablanca: Unser Vernichtungskampf richtet sich nicht gegen die politischen Systeme. Wir kämpfen bis zur bedingungslosen Kapitulation. Bedarf es da noch eines Nachdenkens um die Entscheidung zu fällen. (Folgenden Satz kann ich nur noch dem Sinne nach feststellen) Es handelt sich nunmehr um Millionen Menschenleben. Soll Deutschland das Schicksal von Tripolis erfahren? Der Text folgt jetzt wieder einwandfrei im Original weiter:
Heute ist ganz Deutschland eingekesselt wie es Stalingrad war. Soll dem Sendboten des Hasses und des Vernichtungswillens alle Deutschen geopfert werden! Ihm der die Juden zu Tode marterte, die Hälfte der Polen ausrottete, Russland vernichten wollte, ihm der Euch Freiheit, Frieden, Familienglück, Hoffnung und Frohsinn nahm und dafür Inflationsgeld gab. Das soll, das darf nicht sein! Hitler und sein Regime muss fallen, damit Deutschland weiter lebt. Entscheidet Euch, Stalingrad und der Untergang, oder Tripolis und die hoffnungsvolle Zukunft. Und wenn Ihr Euch entschieden habt, dann handelt.
Ich habe mich bemüht, den Text in seinem Ursprung so lückenlos als möglich wiederzugeben. Eine weitere Erklärung will ich dann nicht mehr anführen.
Aufgenommen:
gez.Geith.
Krim.Sekr.gez. Christoph Probst
Zwei Tage nach seiner Festnahme am 20. Februar 1943 findet die Verhandlung vor dem Volksgerichtshof statt. Christoph Probst und die Geschwister Hans und Sophie Scholl werden zum Tode verurteilt und am selben Tag durch das Fallbeil hingerichtet. Christoph Probst wird 23 Jahre alt, Sophie Scholl 21 Jahre und Hans Scholl 24 Jahre.
Weitere Verweise
- Zitate mit der Möglichkeit, sich die sechs Flugblätter als PDF herunterzuladen: „Weiße Rose“ auf Wikiquote
- Bundeszentrale für politische Bildung (bpb): Sophie Scholl und die „Weiße Rose“
- Weiße Rose Stiftung e. V.
- Ungeistig, ein Zitat aus dem Flugblatt II
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