Mein Stadtteil: das Frankfurter Nordend
Vorausgesetzt, man hat hier eine Wohnung gefunden! Die Nähe zur Innenstadt und die gute Verkehrsanbindung tragen wesentlich zur Attraktivität des Nordends bei.
Begeben wir uns auf einen kleinen Spaziergang durch das Viertel, in dem ich bis auf meine ersten beiden Lebensjahre durchgehend wohne. (Das Bild ganz oben zeigt eine Luftaufnahme des Nordends. Das rechte wirft einen Blick auf die Straße, in der der Autor wohnt.)
Lage und Geschichte
Das Frankfurter Nordend grenzt an die Innenstadt im Süden und an den Anlagenring. Grenze zum Westend ist die Eschersheimer Landstraße, zum Ostend der Sandweg. Nördlich grenzt das Viertel an den Dornbusch und an den Alleenring.
Schon vor der Gründung Frankfurts war das Nordend besiedelt. In der Nähe des heutigen Günthersburgparks stand eine römische Villa, die von der römischen Stadt Nida (heute Frankfurt-Heddernheim) verwaltet wurde. Im Mittelalter entstanden einige königliche Fronhöfe, die im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit in Patrizierbesitz übergingen. Ab dem späten 19. Jahrhundert, der Gründerzeit, wurde die Fläche westlich von Bornheim zum Wohngebiet ausgebaut und erhielt seinen heutigen Namen.
Bekannte Bauwerke
Eines der bekanntesten Bauwerke des Nordends ist das Funkhaus des Hessischen Rundfunks an der Bertramstraße. Der Große Sendesaal war ursprünglich als Plenarsaal des Deutschen Bundestages geplant. Doch die Geschichte verlief anders und Frankfurt unterlag Bonn in der Hauptstadtfrage knapp. An der Kreuzung Adickesallee und Eckenheimer Landstraße befindet sich sie Deutsche Bibliothek, neben Leipzig ein weiterer Standort der Deutschen Nationalbibliothek. Sie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zur Bewahrung deutschen Schriftguts gegründet. Vorher in der Senckenberganlage gelegen, aber dort viel zu klein für den Bestand geworden, entstand der Neubau 1997. Exponiertestes Gebäude des Stadtteils ist das ehemalige Shell-Hochhaus am Nibelungenplatz. 1966 errichtet, war es mit 110 Metern das höchste Gebäude der Stadt und ganz im Zeichen der Zeit mit einem Atomschutzbunker im Keller ausgestattet. 1993 wurde es umfassend renoviert und in „Büro Center Nibelungenplatz“ (BCN) umbenannt. Es erhielt eine blaue Glasfassade und einen Panoramaaufzug, der durch ein Video der Band Soulsister internationale Aufmerksamkeit erhielt. In der Fernsehserie „Ein Fall für zwei“ liegt das Büro des Rechtsanwalts in diesem Gebäude.Der Glauburgbunker, ein während des Zweiten Weltkriegs gebauter imposanter Zivilschutzbunker (einer von insgesamt drei im Frankfurter Nordend), beherbergt heute die Wissenschaftsausstellung des Erlebnismuseums EXPLORA. Und eine Bar, in der die beeindruckende Stärke der Wände zu erkennen ist! (Nachtrag vom Januar 2022: Inzwischen wird der Glauburgbunker abgerissen, um einem Wohn- und Geschäftsgebäude zu weichen.)
Parks im Frankfurter Nordend
Zur Entspannung kann man seine Seele in einem der drei Parks des Nordends baumeln lassen. Der kleinste davon ist der Holzhausenpark mit dem Holzhausen-Schlösschen. Das Wasserschloss inmitten eines kleinen Weihers ist seit der Renaissance ein Ort der Kunst und Kultur und ein architektonisches Kleinod. Der Bethmannpark war ehemaliger Sommersitz der Bankiersfamilie Bethmann. Hute ist er mit seinen prachtvollen Blumenbeeten und dem nach klassischen Elementen des Feng-Shui angelegten chinesischen „Garten des himmlischen Friedens“ eine Oase der Ruhe.Der größte Park ist der Günthersburgpark im Nordosten. Er wurde vor wenigen Jahren nach Norden erweitert und gliedert sich nun in den alten südlichen Teil mit imposantem Baumwuchs und mannigfaltigen Spielgelegenheiten. Im Sommer können Kinder nach Herzenslust in den Wasserspielen planschen, währenddessen sich die Eltern in der kleinen Gartenkneipe gemütlich einen „Äppelwoi“ oder „Ebbelwoi“ (Apfelwein) zu Gemüte führen. Oder Kaffee und Kuchen. Der neue nördliche Teil zeichnet sich durch eine großräumige, lichte Liege- und Spielwiese aus. Dort finden auch die Kulturveranstaltungen des Stalburgtheaters „Stalburg offen Luft“ („Stoffel“) statt.
Der Hauptfriedhof
Die grüne Lunge des Nordends ist der Hauptfriedhof, in dem ich mich seit meiner Kindheit und Jugend gerne aufhalte. Auch er ist in verschiedene Bereiche aufgeteilt.Hier finden sich u. a. die Gräber von Dr. Heinrich Hoffmann, dem Schöpfer des weltberühmten Kinderbuches „Struwwelpeter“, und von Pauline Schmidt, die ihm zum Vorbild für „Die traurige Geschichte von Paulinchen mit den Streichhölzern“ diente. Auch der Philosoph Arthur Schopenhauer und derjenige der Frankfurter Schule, Theodor W. Adorno, der Lokalpoet Friedrich Stoltze und die Mundartschauspielerin Liesel Christ, der Jazzmusiker Albert Mangelsdorff und die Mitbegründer der „Neuen Frankfurter Schule“, die Autoren, Zeichner und Satiriker F. K. Waechter und Robert Gernhardt haben hier ihre letzten Ruhestätten.
Auch meine Eltern liegen hier, mein Bruder und ich werden es einst vermutlich ebenso …
Kultur und Einkaufen
Der typische Nordendler ist eher im linksliberalen Spektrum anzusiedeln. Familien mit Kindern, Intellektuelle, Künstler, Lehrer und (ehemalige) WG-Bewohner verleihen dem Frankfurter Nordend seine Lebendigkeit. So finden sich hier Öko- und Weinlädchen, Szene-Kneipen und gemütliche Restaurants. So etwa das „Größenwahn“ oder das „Strandcafé“, lokale Institutionen, in denen einst Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit verkehrten.
Im Frankfurter Nordend lässt es sich auch hervorragend einkaufen. Hier ist vor allem die Berger Straße, aber auch die Glauburgstraße und der Oeder Weg zu nennen, wo Öko-Supermarkt und Reformhaus, Billig-Discounter und Tante-Emma-Lädchen, Fachgeschäfte und Handwerksbetriebe ihren Platz haben.Besonders im Oeder Weg bei mir um die Ecke ist jedoch zu beobachten, dass viele alteingesessene Geschäfte die steigenden Mieten nicht mehr bezahlen können und von kettenähnlichen Läden verdrängt werden. Die Straße hat ihren Namen übrigens nach „die Oed“. So wurde das Gelände zwischen Eschenheimer Tor und Holzhausen-Schlösschen früher genannt, weil es als unfruchtbar galt,
Und wie wäre es damit, den Rundgang mit einem Besuch im Kleinkunsttheater und typischen Apfelweinlokal „Stalburg“ oder einer der vielen anderen Kneipen ausklingen zu lassen?Weitere Verweise
Und wer mehr über das Frankfurter Nordend wissen und/oder sich mehr Bilder anschauen möchte:
Das liest sich sehr schön und vermittelt einen ganz anderen Eindruck, den man sonst von Frankfurt hat.
Ich wäre froh, wenn meine Stadt (ca. 78.000 EW) nur halb so viel zu bieten hätte…
schöne Einblicke – schönes Frankfurt, aber das mußt du mir nicht erklären – fühl mich östlich auch sehr wohl.
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