People are strange
Der neue Film über die Doors von Tom DiCillo
When you’re strange, faces come out of the rain, when you’re strange. No one remembers your name, when you’re strange, when you’re strange.
(aus „People are Strange“, Text und Musik: The Doors)
Auch fast vierzig Jahre nach dem Tod von Jim Morrison haben The Doors und ihre Musik nichts von ihrer Anziehungskraft verloren. Angeblich verkaufen sie immer noch weltweit eine Million Tonträger pro Jahr. Strange sind sie also keineswegs! Der neue Film „The Doors: When You’re Strange“ von Tom DiCillo versucht von Neuem, dieses Phänomen zu beleuchten. People are strange?Um es vorwegzunehmen: Für diejenigen, die zu deren „Lebzeiten“ schon Anhänger dieser Band waren, bietet dieser Film keine inhaltlichen Neuigkeiten, über die man nicht schon vorher hätte verfügen können.
Es kursierten auch ohne Internet reichlich Materialien, die für deren Fans von Interesse waren. Fotos etwa, beispielsweise von ihrem Auftritt auf dem Frankfurter Römerberg am helllichten Tag, Kopien von Zeitungsausschnitten aus den USA (die übrigens schon damals belegten, dass Morrison während des legendären Auftritts in Miami keineswegs das Geschlechtsteil seines Gitarristen Robby Krieger in den Mund genommen hatte, weshalb er später noch auf der Bühne verhaftet wurde), Notenbücher mit Texten, natürlich Bootlegs, illegale Konzertmitschnitte, bis hin zu einer inoffiziellen Biografie Morrisons des rührigen Ulrich Heumann, bei dem man mittels Briefkontakt Informationen suchen und tauschen konnte.
Material übrigens, das sich teilweise auch im privaten Besitz des Autors dieses Beitrags befindet.
Biografen uneinig
Die ganzen „offiziellen“ Morrison-Biografen sind sich unterdes in vielen Punkten reichlich uneinig, besonders, wenn es um den Tod des Sängers geht. Und dass Morrison mindestens zwei Gedichtbände veröffentlichte, nämlich „An American Prayer“ und „The Lords and The New Creatures“, außerdem die posthum erschienen „Wilderness: The Lost Writings of Jim Morrison“, war wohl vielen unbekannt.
Zudem war „A Feast of Friends“ von Paul Ferrara aus dem Jahr 1968, der erste und einzige Film, den die Doors über sich selbst produziert haben, bereits in vielen „alternativen“ Kinos zu sehen. Nachteil dieses Werkes: Außer bei dem phänomenal-düsteren Stück „The End“, das komplett ausgespielt wird, wurden selbst Szenen aus Auftritten mit einer Tonspur aus dem Repertoire der Gruppe unterlegt. [Nachtrag vom 5. August 2015: Kürzlich wurde der auf Grundlage der Negative komplett restaurierte Film, wobei auch die Farben korrigiert und gesäubert und der Soundtrack vom langjährigen Doors-Begleiter Bruce Botnick neu abgemischt und überarbeitet wurden, auf ARTE gezeigt. Er existiert also noch!]
Kommerzielles Interesse
Der Grund, diesen neuen Film „The Doors: When You’re Strange“ von Tom DiCillo herzustellen, lag wohl darin, dass das Interesse an dieser wegen Morrisons erotischer und gleichzeitig dämonischer Ausstrahlung und entsprechender Auftritte einst als „gefährlichste Band Amerikas“ bezeichneten Gruppe nicht nur immer noch vorhanden ist, sondern dass auch immer wieder jüngere Leute diese Musik erst neu entdecken. An ebendiese richtet er sich wohl auch in erster Linie.
Der weitaus größte Teil der Besucher der vom Verfasser besuchten Vorstellung bewegte sich altersmäßig von etwa Anfang bis Mitte zwanzig. Und es geht ziemlich offensichtlich darum, den Verkauf der Musik der Doors noch weiter anzukurbeln!
Kaum ein Musikstück komplett ausgespielt
So interessant die neu aufgetauchten Foto- und Filmmaterialien von ihren Studioaufnahmen, Fernseh- und Bühnenauftritten sowie von Jim Morrisons eigenem Filmschaffen (das viel zu kurz kommt!) aber auch sind: Es wird kein einziges Musikstück ganz ausgespielt. Manchmal fehlen nur wenige Sekunden zum Ende! Es scheint, als gälte es, möglichst viele im Film unterzubringen.
Und anstatt den Film, der mit einem durch einen Windhauch verlöschenden Streichholz beginnt und endet, auch musikalisch „rund“ enden und etwa das fantastische „The Crystal Ship“ oder das düstere „End of the Night“ nach einem Gedicht von William Blake ausnahmsweise ganz ausgespielt den Abspann über ganz durchlaufen zu lassen, knallt der Regisseur im Sekundentakt ein Stück an das andere!
Immer noch besser als ein anderer Film
Die von Johnny Depp gesprochenen Texte in enden mit den Worten, dass nur ein Licht verlöschen kann, das vorher auch gebrannt hat. Jim Morrison mit The Doors, die ihm den idealen musikalischen Rückhalt gaben, hatten gebrannt, was man von dem Film nur sehr bedingt sagen kann.
Aber immer noch besser, als sich den Spielfilm „The Doors“ von Oliver Stone anzuschauen, den die verbliebenen Mitglieder, allen voran vom Organisten Ray Manzarek, heftigst kritisierten. Denn wenn es etwas gibt, was man sich als echter Doors-Fan weder vorstellen kann noch möchte, dann ist es, die Person Jim Morrisons durch einen Schauspieler dargestellt zu sehen!
So lässt sich der Titel dieses Beitrags „People are strange“ durchaus auch auf das Ausschlachten der Musik der Doors und der Person Jim Morrisons anwenden.
Verweise zum Thema
- THE DOORS: WHEN YOU ARE STRANGE (offizielle deutsche Filmseiten, teilweise aber englisch)
- The Doors (offizieller Internetauftritt, englisch)
- Warner Music Germany — The Doors (deutsch)
die Pforten der Wahrnehmung („die älteste deutsche Doors-Seite“) - The Doors: When You’re Strange – Wikipedia (deutsche Version)
- The Doors — Wikipedia (Artikel zum Film, deutsche Version)
- The Doors in Frankfurt, eine kleine bebilderte Chronik ihres Aufenthalts von Rainer Moddemann
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Hi, ich mal wieder! Habe den Film vor ein paar Tagen bei arte gesehen und nun hier entdeckt, dass es darüber ja auch einen Beitrag gibt. Oben angepinnt, gute Idee! Also ich fand den Film nicht schlecht, aber dieser Musikmix nervt schon.
Habe mir den Film gestern noch einmal angesehen und muss meine Kritik wenigstens teilweise relativieren. Jedes Musikstück komplett auszuspielen, hätte den Film zeitlich gesprengt. Das sehe ich deswegen inzwischen weniger kritisch als die vielen Zeitsprünge, die der Film inhaltlich immer wieder macht. Das ist z. B. vom Dezember 1970 die Rede, als Morrison seinen Ausstieg aus der Gruppe verkündet, dann springt der Film einige Monate zurück und erzählt, dass die Doors eine neue Tour unternahmen. Als es um die Aufnahmen zu ihrem Album „The Soft Parade“ geht, springt der Film zurück und spielt das Stück „The End“ an, dessen Aufnahmen lange zuvor stattfanden. Auf das „Miami-Urteil“ wird im Film mehrmals und nicht chronologisch eingegangen und so inhaltlich völlig „auseinandergerissen“. Diese Zeitsprünge, diese Nicht-Chonologie des Films haben mich beim erneuten Ansehen weitaus mehr gestört als der Musikmix, der i. Ü. genauso nicht-chronologisch daherkommt!
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