Was ist dran am Fachkräftemangel?
Seit Langem beklagen deutsche Wirtschaftsunternehmen einen gravierenden Fachkräftemangel. Auf der einen Seite. Auf der anderen suchen jedoch beispielsweise Elektro-Ingenieure, Diplom-Chemiker oder IT-Spezialisten händeringend eine Stelle. Was ist dran am Fachkräftemangel?
Seit Langem beklagen deutsche Wirtschaftsunternehmen einen gravierenden Fachkräftemangel. Ihr Ruf nach Spezialisten aus dem Ausland wird immer lauter. Auf der anderen Seite suchen jedoch beispielsweise Elektro-Ingenieure, Diplom-Chemiker oder IT-Spezialisten händeringend eine Stelle.
Fachkräftemangel versus Überangebot
Als „Fachkräftemangel“ wird ein Zustand bezeichnet, während dem Arbeitsplätze für Mitarbeiter mit speziellen Kenntnissen nicht besetzt werden können, weil solche Mitarbeiter auf dem Arbeitsmarkt nicht zu finden sind. Verschiedene Wirtschaftsverbände beklagen dies immer wieder. Der Ruf nach Fachkräften führt beispielsweise dazu, dass immer mehr junge Leute ein technisches Studium beginnen. Für einige Bereiche gibt es dadurch inzwischen schon mehr Absolventen als Arbeitsplätze, so in einem Beitrag von Michael Haselrieder für das ZDF-Heute-Journal vom 29. November 2012.
Auch Professor Dr. Holger Bonin vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) stellt ebendort fest, dass es in Deutschland derzeit keinen allgemeinen und flächendeckenden Fachkräftemangel gibt. Lediglich in einigen Regionen und Branchen gäbe es Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen, sonst seien genügend Arbeitskräfte vorhanden. Laut einer Studie des Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit, dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), konnten im Jahr 2011 92 Prozent aller offenen Fachkräftestellen sofort besetzt werden (IAB-Arbeitspanel 2000 bis 2011). Warum also der beklagte Mangel, wenn es teilweise ein Überangebot an qualifizierten Bewerbern gibt?
Bonin folgert:
[…] dass man verhindern will, dass die Löhne steigen, also wenn Fachkräfte knapp sind, führt das zu Lohnsteigerungen und das reduziert die Gewinne der Unternehmen.
Oder anders ausgedrückt: Ein Überangebot an Fachkräften drückt die Lohnkosten. Also alles künstlich aufgebauscht? Brauchen wir Zuwanderung aus dem Ausland tatsächlich?
Fachkräftemangel in Sinne der Arbeitgeber?
Deutsche Fachkräfte sind nicht billig. Selbst wenn sie zurzeit arbeitslos sind, möchten sie nicht (weit) unter Wert arbeiten. Das wissen Arbeitgeber. Also wird in einigen Bereichen mit dem Ruf nach Fachkräften ein Überangebot erzeugt, während in anderen Bereichen der Ruf nach Fachkräften aus dem Ausland immer lauter wird. Bereits heute arbeiten jedoch viele ausländische hoch Qualifizierte im Niedriglohnbereich oder sind arbeitslos, weil ihre Abschlüsse hierzulande nicht anerkannt sind. Haben sie doch eine Stelle, erhalten sie meist weniger Lohn als ihre deutschen Kollegen. So drücken Arbeitgeber die Lohnkosten.
Die Forderungen der Wirtschaft nach längerer Lebensarbeits- und Wochenarbeitszeit und nach Ausweitung der Zuwanderung liegen so letztlich nur im Interesse der Arbeitgeber. Alternativen wie die Umverteilung der Arbeit, etwa durch Arbeitszeitverkürzung, oder die Verstärkung des Weiterbildungsangebots für ältere Arbeitnehmer werden kaum diskutiert. Zudem wird allzu leicht übersehen, dass die Gehälter nicht nur bei Fachkräften in den letzten Jahren kaum gestiegen sind.
Berücksichtigt man auch die demografische Entwicklung in Deutschland, so ist ein akuter Fachkräftemangel erst in etwa zehn bis fünfzehn Jahren zu erwarten, wenn immer weniger junge Arbeitskräfte nachwachsen.
Verweise zum Thema
Siehe den mit vielen Pro- und Contra-Verweisen sehr ausführlichen Wikipedia-Artikel „Fachkräftemangel“ und hier auch „Was tun?“ über „Sinn und Wandel menschlicher Arbeit“!
Nachtrag vom 10. März 2017
Da das Thema Fachkräftemangel offensichtlich nichts an Aktualität verloren hat, hier noch als Nachtrag ein weiterer Verweis: „Das Märchen vom Fachkräftemangel“ im manager magazin [sic!] vom 9. März 2017, der allerdings im Wesentlichen das wiedergibt, was hier auch schon zu lesen ist.
Nachtrag vom 27. Dezember 2018
Die ZEIT widmet dem Thema Fachkräftemangel ein eigenes Schlagwort mit diversen Beiträgen: ZEIT ONLINE: Fachkräftemangel – News und Infos.
(Zuerst veröffentlicht am 19. Dezember 2012 bei mainperspektiven.de: „Was ist dran am Fachkräftemangel?“, allerdings wurde das Portal inzwischen eingestellt.)
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