Liebe in Zeiten des Festnetztelefons
Festnetztelefon? Viele Jüngere kennen es allenfalls von ihren Eltern. Doch wie haben die sich eigentlich kennengelernt? Wie ging Liebe in Zeiten des Festnetztelefons? Also auch in Zeiten ohne E-Mail, soziale Netzwerke, Partnerbörsen und vielem mehr, was ein Kennenlernen doch (angeblich) so einfach macht?
Und doch war es möglich! Zwei Leute lernten sich irgendwo kennen, tauschten ihre Telefonnummern aus – und warteten, bis der oder die andere irgendwann anrief. Klingt sehr einfach, gestaltete sich aber hin und wieder dennoch kompliziert. Es mussten nämlich gewisse Rituale eingehalten werden, etwa wer wen zuerst anruft und nach welchem zeitlichen Abstand zum ersten Treffen dies zu geschehen hatte. Zu früh durfte es nicht sein, denn es konnte beim Gegenüber der Eindruck entstehen, dass man es „nötig“ habe. Zu spät aber auch nicht; das ließ auf Interesselosigkeit schließen. Und natürlich die wichtige Frage, wer wen zuerst anruft! Im Falle eines heterosexuellen Paares war es zu meiner Zeit, also in Zeiten des Festnetztelefons, meist der Mann. Tat den ersten Anruf die Frau, konnte sie als „leicht“ abgetan werden. Doch zum Glück, auch zu meinem, gab es auch früher schon Frauen, die das nicht so eng sahen.
Es war sogar möglich, sich über das Festnetztelefon kennenzulernen, ohne sich überhaupt gesehen zu haben. Also wie bei einem Blind Date! Entweder, weil man eine Kontaktanzeige aufgegeben hatte oder auf eine antwortete, oder weil man mit jemandem regelmäßig telefonierte, dessen oder deren Stimme einer oder einem sympathisch war. Zum Beispiel beruflich. Beides habe ich selbst erlebt. Leider führten die Ergebnisse bei mir allerdings nie zu einer Partnerschaft, zumindest keiner dauerhaften. Meist waren die Stimmen ohne die Person weitaus reizvoller als die Stimme und die Person zusammen. Es soll aber Paare geben, die sich auf solchen Wegen kennengelernt und glücklich geworden sind.
Liebe in Zeiten des Festnetztelefons, darüber berichtet auch ein Feature von Fritz Tietz in einer Produktion von Deutschlandfunk Kultur aus diesem Jahre: „Alte Lieben – Liebesgeschichten aus Zeiten des Festnetztelefons“ (54 Minuten, 35 Sekunden), „ein Feature über den lebenslangen Nachhall erster Begegnungen – und über die Liebe in Zeiten, in denen es weder Emails [sic!] noch Online-Dating gab“. Auf der entsprechenden Sendungsseite von NDR Kultur ist die Verfügbarkeit bis zum 24. November 2022 angegeben.
Dass auch Telefonzellen, die in diesem Audio-Beitrag ebenfalls vorkommen, zu dieser Zeit eine wichtige Rolle spielen konnten und was solche überhaupt gewesen sind, erklärt übrigens meine Notiz „Die letzte Telefonzelle“.
Haben Sie Erlebnisse und Erfahrungen aus dieser Zeit der Liebe in Zeiten des Festnetztelefons? Schreiben Sie einen Kommentar!
Es war Anfang der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts, als ich mit meinem Freund via Telefonzelle telefonierte. Er war bei der Bundeswehr und hatte nur bestimmte Zeitfenster. Ich wanderte zum vereinbarten Zeitpunkt zur Telefonzelle. Die passenden Münzen in der Hand war klar, dass es ein kurzes Telefonat werden würde. Nach dem Einwurf des Geldes rutschte dieses jedoch gleich wieder in das Ausgabefach und ich konnte es immer wieder und wieder einstecken. Es wurde ein langes Telefonat. Am nächsten Tag war die Telefonzelle allerdings repariert.
Ich weiß heute nicht mehr sicher, warum ich nicht vom Festnetztelefon aus telefoniert habe. Vermutlich lag es daran, dass ich alleine telefonieren wollte und keine Zuhörer wünschte. Das Telefon war seinerzeit noch mit einem Kabel mit der Station verbunden.
Heute habe ich immer noch ein Festnetztelefon neben meinem Smartphone. Es hat aber mehr eine Ersatzfunktion, falls das Smartphone mal ausfallen sollte.
Verstehe ich nicht ganz: Wie konnte es „ein langes Telefonat“ werden, wenn doch die Münzen „gleich wieder in das Ausgabefach“ durchfielen und du „es immer wieder und wieder einstecken“ musstest? Aber an das Problem der durchfallenden Münzen kann ich mich auch noch zur Genüge erinnern; siehe „Die letzte Telefonzelle”. Ist denn aus der Beziehung wenigstens etwas geworden?
Die durchgefallenen Münzen konnte ich immer unmittelbar innerhalb desselben Telefonats wieder verwenden.
Wir haben geheiratet. Die Ehe hat 27 Jahre gehalten.
Na also, da sage eine(r), es hätte keine Liebe in Zeiten des Festnetztelefons gegeben!
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