Nicht offenbarte Verliebtheit
Es gibt in der Liebe wenig Tragischeres als nicht offenbarte Verliebtheit! Vielleicht kennen Sie diese Möglichkeit ja auch aus eigener Erfahrung. Der Autor macht sich Gedanken darüber.
Kein Feuer, keine Kohle
kann brennen so heiß
wie die heimliche Liebe,
von der niemand nichts weiß.
(aus Theobald Tiger alias Kurt Tucholsky: Subkutan, erschienen in Die Weltbühne, Nr. 14, vom 5. April 1927)
Es gibt in der Liebe wenig Tragischeres als gegenseitig nicht offenbarte Verliebtheit. Haben Sie schon einmal überlegt, dass jemand, in den Sie einmal wahnsinnig verliebt gewesen waren oder gerade sind, ihr oder ihm das aber nicht getraut haben zu gestehen, vielleicht auch umgekehrt in Sie selbst verliebt (gewesen) sein könnte?
Vor langer, langer Zeit hatte ich mich in eine Frau in einer Wohngemeinschaft in einem besetzten Haus im Kettenhofweg im Frankfurter Westend verliebt, damals ein beliebtes Stadtviertel für Grundstücksspekulationen, Altbausanierungen oder Abrisse. Ich konnte die Kellerräume für Proben für meine Theaterarbeit nutzen und half sonntags das Frühstück des sich im Haus befindlichen Cafés zu verkaufen. Wobei „verkaufen“ eigentlich nicht stimmt: Essen und Getränke wurden umsonst angeboten, Bezahlung war freiwillig. Aber alle, die am Einkauf, an der Vor- bzw. Zubereitung und am Ausschank beteiligt waren, kamen auf ihre Kosten. Egal, ob es sich um andere Hausbesetzer, Punks, Studenten oder Arbeitslose handelte, (fast) alle gaben vor dem Verlassen einen Obolus, oft sogar ausdrücklich noch einen zusätzlichen Beitrag als „Trinkgeld“, und darunter waren häufig genug Leute, von denen wir dies nie erwartet hätten!
Da ich in der Wohngemeinschaft gleich im Erdgeschoss die meisten Leute im Haus kannte, schaute ich nach meinen Proben gerne dort vorbei. Dabei lernte ich Sabine kennen, die hier ein Zimmer hatte, in die ich mich sofort verliebte und bald der eigentliche Grund für meine Besuche wurde. Ihr jedoch meine Verliebtheit zu offenbaren, hatte ich niemals Gelegenheit.
Sie saß dann auf ihrem Bett, das anfangs nur aus Matratzen bestand (erst später hatte sie sich ein solides besorgt oder sich bauen lassen) und ich auf dem Fußboden vor ihr. Wir unterhielten uns stundenlang, hörten Musik, tranken etwas. Eifersüchtig wurde ich immer, wenn jemand anderes aus der Wohngemeinschaft oder aus dem Haus vorbeischaute, und noch mehr, wenn es ein Besucher war, der vor meinen Augen mit ihr zu schäkern begann. Dann hätte ich mir manchmal gewünscht, dass sie den Besucher hinauskomplimentiert, ihm erklärt hätte, dass sie jetzt lieber mit mir allein wäre. Deshalb war ich mir unsicher. Nicht meiner Gefühle zu ihr, sondern ob eine Aussicht auf Gegenseitigkeit bestehen könne. Ich suchte nach Anhaltspunkten dafür, traute mich selbst aber nie in die Offensive.
Später überlegte ich mir oft, ob diese Besuche „bestellt“ waren, um umgekehrt mich aus der Reserve zu locken, ob sie umgekehrt, so wie ich aus ihren, sie aus meinen Reaktionen lesen wollte, wie ich für sie empfinde. Aber: Eindeutig hatte ich mich wohl selbst nie verhalten!
Zwei Menschen verharrten damals möglicherweise monatelang in nicht offenbarter Verliebtheit, bis sich ihre Wege trennten …
(Siehe hier auch „Verpasste Chance“!)
Was ist aus ihr geworden? Lässt sie sich finden und feststellen, ob da heute immer noch was ‚in der Luft‘ ist?
Ich hatte sie viel später, nachdem das Haus geräumt wurde (übrigens das am längsten besetzte Haus hier; es wurde auch nicht abgerissen, sondern kernsaniert und in ein Luxus-Eigentumswohnungen-Haus umgewandelt), einige Male getroffen. Wir waren uns immer noch sympathisch und nahe, ich mochte sie immer noch sehr, aber so richtig gefunkt hat es dann leider nicht mehr.
Pingback:Das Märchen vom Tannenbaum – Ronalds Notizen