Täter
oder Ein reichlich misslungener Raub
Täter werden immer dreister. Und gehen teilweise immer brutaler zu Werke. Manchmal jedoch wundert man sich auch über deren Dummheit. Und manchmal kommt alles zusammen, wie dem Autor vor Kurzem widerfahren.
Es ist bekannt, dass bei Streitigkeiten oder Überfällen Beteiligte oder Täter immer häufiger zu Gewaltexzessen neigen, die einem Angst und Schrecken einjagen. Selbst ein am Boden liegender Mensch stellt keine Grenze mehr dar. Erschreckend ist dabei zusätzlich, dass es bei solchen Vorfällen immer wieder Menschen gibt, die weder einschreiten noch die Polizei alarmieren, wie hier bereits in „Dreißig Menschen“ in dichterischer Form verarbeitet. Amüsant sind dagegen Meldungen über Fälle, in denen sich Täter so dumm anstellen, dass man fast Mitleid mit ihnen empfinden könnte, wie etwa mit demjenigen, der sich in ein Bürohaus einschließen ließ, um nach dem Feierabend der dort Beschäftigten in Ruhe auf Beutezug zu gehen. Das Pech für ihn stellte sich nämlich ein, als er das Gebäude nach getaner Tat nachts wieder verlassen wollte: Die Türen waren natürlich immer noch verschlossen!
Hin und wieder jedoch gibt es anscheinend auch Fälle, in denen Dreistigkeit, Brutalität und Dummheit zusammenkommen, wie dem Autor vor einigen Tagen geschehen, als er samt seiner (das muss hier ausgezeichnet werden, wie wir im weiteren Verlauf sehen werden) Reisetasche an einem frühen Samstagmorgen um etwa 6.35 Uhr im Frankfurter Hauptbahnhof nach seiner Verabredung und dem Abfahrtgleis Ausschau hielt und ihm plötzlich ein Mann in den Weg trat, der nach einer (wie wir im weiteren Verlauf ebenso sehen werden: rhetorischen) Frage, woher der Autor diese Tasche habe, sofort nach dieser griff und behauptete, sie gehöre seiner Schwester.
Da sich der Autor zwar absolut sicher war, dass diese wirklich ihm gehörte, aber auch die Möglichkeit nicht ausschließen wollte, dass Ähnlichkeiten und Verwechslungen vorkommen können, antwortete er ruhig, dass Letzteres hier wohl der Fall sei. Auf den Vorschlag dieses Mannes, die Polizei zu rufen, antwortete der rechtmäßige Besitzer, dass er dies tun möge, denn so werde sich die Sache am schnellsten aufklären. Als er aber sah, dass der vorgebliche Bruder der angeblichen Besitzerin auf seinem mobilen Telefongerät nur so tat, als wähle er, und darauf sofort weiter an der Tasche zerrte, begleitet von Schubsern und Stößen, schwante ihm langsam Schlimmes, was sich im weiteren Verlauf bestätigen sollte.
Es vergingen etwa zehn Minuten, in denen der wechselweise vorgebliche Bruder der angeblichen Besitzerin oder angebliche Besitzer selbst unter Zuhilfenahme von mehreren Schlägen gegen die Schläfe, auf die Nase und in die Seite, einem kurzen Griff an die Kehle sowie einem Zufallbringen des Eigentümers versuchte, in den unrechtmäßigen Besitz der Reisetasche zu gelangen. Selbst ein früher Hinweis darauf, dass sich in der Seitentasche ein Reisepass befände, anhand dessen sich der wahre Eigentümer beweisen ließe, hielten ihn ebenso wenig von seinem Vorhaben ab wie der Hinweis eines Zeugen, der den im Gerangel zu Boden gefallenen Pass aufgehoben hatte und nach dessen längerem Studium zu dem Schluss kam, dass der Autor tatsächlich der wahre Besitzer ist! Und Letzterer wusste, dass, wenn er seine Tasche nur einen Moment aus der Hand legen, um nicht nur diese, sondern sich selbst zu verteidigen, er sie nie wiedersehen würde. Zudem nahten unerbittlich der Zeitpunkt seiner Verabredung und die Abfahrtzeit des Zuges!
Ja, richtig gelesen: Es handelte sich keineswegs um einen Raub, der in kürzester Zeit vonstattengeht, sondern es vergingen etwa zehn Minuten, bis endlich zwei Beamte der Bundespolizei auftauchten und nach kurzem Blick auf die Lage den Widersacher, der ihnen bekannt war, wie sie später mitteilten, durchsuchten und fixierten! Vorher reagierte niemand von den (zur Erinnerung: früher Samstagmorgen!) wenigen Umstehenden, weder auf direkte Ansprache noch auf laute Rufe! Man war wohl unentschieden und ging davon aus, dass dem Stärkeren die Tasche gehört, und das würde sich im weiteren Verlauf schon herausstellen.
Nun, im Endeffekt war der Widersacher nicht der Stärkere, und der Geschädigte wundert sich noch immer über die Dreistigkeit dieser anscheinend neuen Masche, sich des Gepäcks anderer bemächtigen zu wollen. Und über das Durchhaltevermögen des Übeltäters, das schon an Dummheit grenzt: Schon nach wenigen Minuten hätte ihm klar sein können, dass sein Unterfangen trotz Schlägen aussichtslos ist, und klar sein müssen, dass sich von weiteren Minuten zu Minuten die Möglichkeit des Erscheinens von Sicherheitspersonal erhöht.
Und natürlich wundert und freut sich der Autor auch über die Haltbar- und Reißfestigkeit der Träger seiner Reisetasche!
(Siehe hier auch „Dreißig Menschen“!)
Pingback:„Kriminelle Straftäter“? – Ronalds Notizen