Was Sie schon immer (nicht) wissen wollten (13)
Gewinnwarnung, wieder so ein (Un)wort!
Vorgestern hörte der Autor zum ersten Mal das Wort „Gewinnwarnung“. Es bedeutet eigentlich das genaue Gegenteil. Hä? Auf jeden Fall ein Kandidat für das Unwort des Jahres, oder etwa nicht? Der Autor versucht aufzuklären.
Wie sich in der Meldung im Einzelnen herausstellte, handelte es sich dabei jedoch gar nicht um die Warnung vor einem Gewinn, sondern eigentlich vor dem genauen Gegenteil: Die Deutsche Bank kündigte nämlich einen Rekordverlust in Höhe von 6,2 Milliarden Euro an! Wie kann das sein, also nicht der Verlust, sondern die Gewinnwarnung? Achtung, wer einen Gewinn erwartet, sollte sich verdrücken?
Erste Recherchen führten mich auf das Portal finanzen.net, wo über das Wort zu lesen ist:
Eine Aktiengesellschaft legt quartalsweise die Umsatz- und Gewinnziele fest. Sollte wider Erwarten der Gewinn sich verringern, ist die AG nach § 15 Wertpapierhandelsgesetz verpflichtet eine Gewinnwarnung als Ad-hoc-Meldung zu veröffentlichen. Häufig ist eine Gewinnwarnung mit sinkenden Kursen verbunden.
Nun, Letzteres ist bei dem Rekordverlust der Deutschen Bank nicht verwunderlich. Und dass man sich da verdrückt, sprich: seine Aktien verkauft, auch. Nur erklärt das immer noch nicht diese seltsame Art der Verwendung!
Neu ist das Wort nicht.
So neu ist das Wort auch nicht, wie ich u. a. bei der Wikipedia erfuhr. Das Wort „Gewinnwarnung“ stand nämlich schon 2001 auf der Liste zum Unwort des Jahres. Nach Meinung der Jury sei es ein „von Aktionären verwendeter sachlich falscher Begriff, der vor geringeren Gewinnen als erwartet warnt“, ist. Zudem hätten sich sachlich passendere Ausdrücke finden lassen können, wie etwa „Gewinnminderungswarnung“ oder, wenn das Unternehmen in die Verlustzone rutscht, „Verlustwarnung“. (Gewählt wurde stattdessen übrigens „Gotteskrieger“, aber das wäre eine andere Notiz wert.)
Die Strafe für ein solch beschönigendes und verharmlosendes Wort folgte allerdings noch im selben Jahr: 2001 wurde die Gewinnwarnung zum Börsenunwort des Jahres gewählt und schließlich 2008 zum österreichischen Unwort des Jahres. Zur Begründung der Jury heißt es in der Pressemitteilung auf Seite 2:
Dieses Wort erlangte aufgrund der weltweiten wirtschaftlichen Schwierigkeiten große Aktualität und eine erhöhte Verwendungshäufigkeit. Darüber hinaus ist es aus sprachlicher Sicht interessant, das es [sic!] scheinbar vor Gewinnen warnt, tatsächlich aber Verluste bzw. verminderte Gewinne meint. Es ist damit ein Wort, das die wahren Sachverhalte in höchstem Maße verschleiert und so sowohl in Inhalt als auch in seiner Verwendung für jene undurchsichtigen Vorgänge steht, die derzeit in der Finanz- und Bankenwelt vor sich gehen.
Liebe Österreicher/-innen von der Forschungsstelle Österreichisches Deutsch im Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Graz, danke dafür, trotz des kleinen Tippfehlers, denn besser hätte ich „die wahren Sachverhalte“ auch nicht ausdrücken können!
(Siehe hier auch „Ultimativer Finanzkreislauf“!)
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