Die Gelehrten und die Pfaffen
„Die Gelehrten und die Pfaffen“, unter diesem (falschen!) Titel findet sich das Gedicht von Eduard Mörike häufig in Ostergrüßen. Und ebenso häufig nicht wortwörtlich und stark gekürzt wiedergegeben. Etwa so:
Die Gelehrten und die Pfaffen
streiten sich mit viel Geschrei,
was hat Gott zuerst erschaffen –
wohl die Henne, wohl das Ei!
Wäre das so schwer zu lösen –
erstlich ward ein Ei erdacht,
doch weil noch kein Huhn gewesen –
darum hat’s der Has’ gebracht.
Womit wenigstens das Rätsel gelöst wäre, woher die Ostereier kommen.
Im Original heißt das Gedicht aber „Auf ein Ei geschrieben“, wobei die „Gelehrten“ eigentlich „Sophisten“ sind, und es ist wesentlich länger. Hier die komplette Fassung:
Auf ein Ei geschrieben
von Eduard Mörike
Ostern ist zwar schon vorbei,
Also dies kein Osterei;
Doch wer sagt, es sei kein Segen,
Wenn im Mai die Hasen legen?
Aus der Pfanne, aus dem Schmalz
Schmeckt ein Eilein jedenfalls,
Und kurzum, mich tät’s gaudieren,
Dir dies Ei zu präsentieren,
Und zugleich tät es mich kitzeln,
Dir ein Rätsel drauf zu kritzeln.Die Sophisten und die Pfaffen
Stritten sich mit viel Geschrei:
Was hat Gott zuerst erschaffen,
Wohl die Henne? wohl das Ei?Wäre das so schwer zu lösen?
Erstlich ward ein Ei erdacht:
Doch weil noch kein Huhn gewesen,
Schatz, so hat’s der Has gebracht.
(Zitiert nach Zeno.org: Eduard Mörike: „Auf ein Ei geschrieben“, erschienen in: Gedichte, Ausgabe letzter Hand 1867. Leider liegt mir keine gedruckte Version vor.)
Mit Dank an eine Freundin, die mir die Kurzfassung schickte; siehe hier beispielsweise auch „Das Ei“ und „Weihnachtsmann eine Lüge: Lehrerin entlassen“!
Pingback:Osterglocken? Osterläuten? – Ronalds Notizen