Über die Senkung der Geburtenrate
Die Senkung der Geburtenrate! Sie steht ganz vorn in den Schlagwort-Zettelkästen der Populisten. Aber nicht bei uns, in der sogenannten „Dritten Welt“, bitteschön!
Jaja, die Senkung der Geburtenrate! Wenn es darum geht, dass wir in selbstmörderischer Absicht auf eine ökologische und soziale Katastrophe zusteuern, steht sie oft ganz vorn in den Schlagwort-Zettelkästen der Populisten. Aber natürlich nicht bei uns, in der sogenannten „Dritten Welt“ hat dies zu geschehen!
So lautete ein Kommentar der Leserin Flora A. zum Beitrag in der „WELT“: „Per Video: Diese KI-Software soll dabei helfen, den Welthunger zu bekämpfen“ vom 3. Januar 2021:
Das grundsätzliche Problem an der Sache ist meiner Meinung nach, dass den Kindern, die jetzt leben und leiden natürlich geholfen werden muss und es unmenschlich ist mit den Schultern zu zucken und diese Kinder verhungern zu lassen.
Andererseits verschärft es das ganze Problem immer weiter, wenn mit Entwicklungshilfe dafür gesorgt wird, dass immer mehr Kinder überleben.
Die Senkung der Geburtenrate wäre der Schlüssel.
Der Mensch greift hier quasi gegen die Natur ein, indem er dafür sorgt, dass dort viel mehr Menschen überleben als das Land ernähren kann. Die Entwicklungshilfe fördert also die Überbevölkerung und verschärft die Probleme immer weiter.
Man lasse sich diesen Kommentar einmal auf der Zunge resp. im Gehirn zergehen!
Davon abgesehen, dass das Wort „Entwicklungshilfe“ im Beitrag nur am Rande auftaucht, geht es dort darum, „künstliche Intelligenz [zu nutzen], um Mangelernährung bei Kindern zu erkennen“.
„Die Senkung der Geburtenrate wäre der Schlüssel“?
Dass wir, um der ökologischen und sozialen Katastrophe, auf die wir zusteuern, entgegenzuwirken, auch eine Senkung dieser brauchen, mag richtig sein. Doch dies als Patentrezept anzubieten, greift viel zu kurz. Es sind nämlich in erster Linie wir in den Industrieländern, die, obwohl keineswegs die Mehrheit der Weltbevölkerung, einen Großteil der Energie verbrauchen, die zur Verfügung steht! Auch was die Treibhausgas- und CO2-Emissionen angeht, stehen Entwicklungsländer entgegen häufig vorgebrachter Meinungen am Ende der Statistiken. Nicht das Bevölkerungswachstum, sondern die Industrialisierung ist und bleibt der größte Treiber des Klimawandels.
„Argumente“ wie die von Flora A. sollen also nur davon ablenken, dass wir es sind, die unseren Lebensstil ändern müssen!
(Siehe auch higgs: „Klimawandel: Sind weniger Geburten die Lösung?“ vom 30. August 2018 und zu weiteren „Patentrezepten“: „Der gesunde Volkskörper“ und „Klimawandel gut für Grönland!“)
In einem sehr alten Buch „Vom Mythos des Hungers“ aus den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts kann man bereits entnehmen, dass der Hunger der so genannten Entwicklungsländer durch die erste Welt geschaffen wird. Da wurde in der schlimmsten Hungerkatastrophe Biafras frisches Gemüse nach Europa geliefert. Die Menschen bzw. Konzerne des Nordens bestimmen, was dort angebaut wird, und den dort lebenden Menschen fehlen die Ackerbauflächen für ihren eigenen Bedarf. Es gibt viele Gründe für diese Missstände, aber Kinder haben damit nichts zu tun.
Das mit dem Gemüse aus Biafra habe ich nicht gewusst – schrecklich, aber auch nicht verwunderlich; siehe „Kaffee aus Togo“!
Das Buch übrigens wurde erst Ende der 1970er-Jahre veröffentlicht.