Ges­tern fand eine bun­des­weite Raz­zia gegen Reichs­bür­ger statt. Ich hatte davon zunächst nichts mit­be­kom­men. Wie auch! Als ich jedoch in der Mit­tags­zeit kurz vor die Haus­tür trat, um mir an einem Kiosk um die Ecke Tabak und Ziga­ret­ten­pa­pier zu besor­gen, stand vor dem Haus eine kleine Gruppe von Fern­seh­jour­na­lis­ten mit Kame­ras und Mikro­fo­nen. Ich hatte sie vor­her nicht bemerkt, da ich noch nicht lange auf war und mein Fens­ter­la­den wegen der Kälte noch geschlos­sen war. Auch bemerkte ich vor dem Haus gegen­über einen Poli­zis­ten mit Sturm­haube und in vol­ler Mon­tur. Ich fragte die Leute vom Fern­se­hen, was hier vor sich ginge. Eine Frau mur­melte irgend­et­was von wegen „Reichs­bür­ger“ und „Prinz“ und einem Namen, den ich nicht verstand.

Reichs­bür­ger? Hier in der Gegend? Gar im Haus gegenüber?

Als ich wie­der zurück in mei­ner Woh­nung war, schal­tete ich sofort mei­nen Rech­ner ein. Ich wollte natür­lich wis­sen, wel­che Woh­nung im Haus gegen­über von der Raz­zia gegen Reichs­bür­ger heim­ge­sucht wor­den war. Von außen war das näm­lich nicht erkenn­bar. Ich staunte nicht schlecht, als ich in meh­re­ren Mel­dun­gen ein mir bekann­tes Gesicht ent­deckte. Laut einer Mel­dung der „Hes­sen­schau“ han­delt es sich um Hein­rich XIII. Prinz Reuß.

Soso, ein Prinz! Und Reichs­bür­ger! Hier direkt gegen­über! Der dort ein Büro im ers­ten Stock ange­mie­tet hatte.

Wie ich bald wei­ter erfuhr, war er für die Spitze einer Regie­rung vor­ge­se­hen, die nach einem gewalt­sa­men Staats­streich durch Rechts­ra­di­kale und Reichs­bür­ger an die Macht kom­men sollte. Er sei vor­her schon durch „wirre The­sen“ auf­ge­fal­len und stand schon län­ger unter Beob­ach­tung des Verfassungsschutzes.

Die­ser kleine, ältere und völ­lig harm­los aus­se­hende, ja: noch nicht ein­mal unsym­pa­thisch wir­kende Mann? Der sich lie­be­voll und rüh­rend um seine Toch­ter oder nahe Ver­wandte küm­merte, die vom Down-​Syndrom betrof­fen ist, wie ich immer wie­der beob­ach­ten konnte?

Merke: Man sieht nie­man­dem an, welch höchst übles Gedan­ken­gut jemand in sich trägt. Mögen er oder sie auch noch so harm­los aussehen!

(Siehe auch hessenschau.de: „Reichs­bür­ger in Hes­sen – Ver­netzt, ver­harm­lost, bewaff­net“ vom 8. Dezem­ber 2022, wobei dies nicht nur auf Hes­sen zutref­fen dürfte, sowie hier „Volks­fahr­rä­der!“ und „Trom­melnde Samba-​Gruppen bei ‚Querdenken‘-Demos?“.