Volksfahrräder!
Über ein akustisches Missverständnis
Seit Monaten gehen Menschen für Volksfahrräder auf die Straße. Die Medien behaupten jedoch, dass diese engagierten Menschen „Volksverräter“ rufen. Ein bedauerlicher Irrtum und ein großes Missverständnis, wie wir hier erläutern.
Sieht Monaten sieht (und hört!) man sie immer wieder in Nachrichtensendungen und in politischen oder Medienmagazinen im Fernsehen, aber auch in hochgeladenen Videos in Netzwerk-Plattformen. Menschen nämlich, die die Versammlungsfreiheit nutzen und im öffentlichen Raum lauthals fordern:
Volksfahrräder, Volksfahrräder!
Gern und häufig finden diese Versammlungen auch vor Unterkünften statt, in denen Menschen aus verschiedenen Gründen, vor allem aber auf der Flucht vor Kriegen eine wenigstens temporäre Unterkunft gefunden haben.
Woher kommen diese Menschen?
Dem Dialekt nach zu urteilen (Volks-foh-rä-da! Volks-foh-rä-da!), stammen sie meist aus dem Osten der Republik. Anders ausgedrückt: aus der rechten, wenn nicht gar der äußersten rechten Ecke des Landes, das früher Teil der Deutschen Demokratischen Republik war. Die fast schon aggressive Art, in der sie sich äußern, lässt ahnen, wie dringlich es ihnen mit ihrer Forderung ist, waren sie doch früher nicht gerade mit materiellen Dingen wie dem eigenen Auto gesegnet. Dass sie während ihrer Demonstrationen von Gegendemonstranten häufig u. a. ausgerechnet mit Fahrrädern beworfen werden, ist mehr als nur verwerflich!
Dresden, der Ursprung der Bewegung
Zuletzt zu vernehmen war der Ruf gestern, am 7. Februar 2017, anlässlich der Eröffnung der Installation mit dem Titel „Monument“ in Dresden: drei hochkant aufgestellte Busse, die an ein Bild aus Aleppo erinnern sollen, das 2015 um die Welt ging. Ein Monument gegen den Krieg in Syrien, aber auch für den Frieden überhaupt; siehe Deutschlandradio Kultur: „Manaf Halbounis Kunstprojekt in Dresden: ‚Mahnend gegen den Krieg − es ist für den Frieden‘“ vom 6. Februar 2017. Volksfahrräder hier also gegen Kunst? Gegen Frieden? Nein, diese Menschen wollen einfach lieber Fahrräder statt Busse!
Ihren Ursprung hat diese Bewegung auch in Dresden. Einer Stadt also, in der sich schon lange vor diesem Protest vorzugsweise montags fröhliche, humorvolle und häufig auffallend gut gekleidete sowie äußerst tolerante und musikalische Menschen versammeln, um ihrer Forderung nach Volksfahrrädern Ausdruck zu verleihen. Gern mischen sich gestandene Rechtsextreme unter die Kundgebungen und besteigen sogar das Rednerpult – ein Zeichen dafür, wie tolerant diese Menschen sind. Dresden, eine Stadt aber auch, die gegen Ende des Zweiten Weltkriegs fast dem Erdboden gleich gebombt wurde. Dass die Protestierenden in diesem Zusammenhang häufig die Reihenfolgen von Ursache und Wirkung, Aktion und Reaktion zu verwechseln scheinen, ist jedoch nur ein nebensächlicher Aspekt.
Volksfahrräder: Fahrräder für alle!
Fahrräder für das Volk! Man beachte die Bescheidenheit, die hinter ihrer Forderung steckt! Waren es nämlich früher noch die Wagen fürs Volk, die Volkswagen, so begnügen sie sich heute mit Fahrrädern. Wir erinnern uns: 1934 forderte der „Führer“ den Bau eines billigen Wagens für breite Schichten der Bevölkerung. Heute also Fahrräder für breite Schichten der Bevölkerung! Und da sie sich so gern und häufig auch vor Flüchtlingsunterkünften versammeln, ist es zusätzlich sehr löblich, Volksfahrräder nicht nur für sich, sondern auch für geflüchtete Menschen zu fordern.
Volksfahrräder und Bundeskanzlerin Merkel
Ebenso gern und häufig stellen die Protestierenden ihre zutiefst soziale Forderung allerdings in einen Zusammenhang mit unserer Bundeskanzlerin Merkel. „Merkel muss weg!“, heißt es nämlich auf ihren selbst gemalten Schildern und Transparenten. Viele dieser aufgebrachten Menschen sehen zudem die Bundesrepublik Deutschland gar nicht als eine Republik, sondern als eine GmbH oder AG an, was auch auf ihren rührenden Schildern und Transparenten Ausdruck findet.
Dabei ist es doch gerade unsere Kanzlerin, die ihrer Forderung nach Volksfahrrädern Unterstützung angedeihen lassen könnte, was im Falle einer Deutschland GmbH oder AG gar nicht möglich wäre. Denn es ist leider so, dass Wirtschaftsunternehmen kaum Gratisgeschenke an das Volk verteilen! Rührend allerdings, dass sich unter den Rufern nach Fahrrädern für alle auch sogenannte Reichsbürger mischen, die Forderungen an einen Staat stellen, der ihrer Meinung nach gar nicht existiert.
Die Lügenpresse und das Unwort des Jahres
In Abwandlung des Radfahrerspruchs „nach unten treten, nach oben buckeln“ handeln die Demonstranten nach dem Motto: nach unten treten, nach oben fordern. Liebe Volksfahrräder, Pardon, man kommt ganz durcheinander: Mitbürger aus dem Osten, fordert auch mehr Bildung. Vor allem: kostenlose Geschichts- und Deutschkurse. Denn nur dadurch wird das Missverständnis vermieden, dass Volksfahrräder wie „Volksverräter“ geschrieben wird! Damit würde nämlich der „Lügenpresse“-Vorwurf entkräftet, der sich gegen die Medien richtet, die die Rufe der Protestierenden fälschlicherweise als „Volksverräter“ interpretieren.Dass ausgerechnet Volksfahrräder zum Unwort des Jahres 2016 gewählt wurde, ist sicherlich auch nur auf dieses Missverständnis und auf einen Irrtum der Jury zurückzuführen. Sie müssen nämlich das deutlich vernehmbare „Volks-foh-rä-da“ mit „Volksverräter“ verwechselt haben!
Weitere Verweise
Wer in die Internet-Suchmaschine seines Vertrauens „volksfahrräder“ eingibt, findet leicht weitere Ergebnisse. Zur Unterstützung der Bewegung lassen sich sogar Ergebnisse finden, unter denen man T-Shirts und andere Kleidungsstücke mit einem entsprechenden Aufdruck bestellen kann!
Über rechte Sprache in den Medien: Setzfehler: „In der Wortwahl vergriffen: rechte Sprache in den Medien“.
Siehe hier beispielsweise auch „Zum Wandel unserer Begrüßungskultur“ und „Ausländer“!
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