Was Sie schon immer (nicht) wissen wollten (30)
Gründe, den Valentinstag nicht zu mögen
Haben Sie (auch) nichts zum Valentinstag erhalten? Wissen Sie auch nicht so genau, ob Sie diesen Tag lieben oder hassen sollen? Sie finden, Liebe sollte man nicht so kommerziell ausschlachten? Sie mögen weder Schokolade noch Pralinen? Blumen auch nicht, zumindest dann nicht, wenn man sie quasi zwangsweise verschenkt? Rosa gehört nicht zu Ihren Lieblingsfarben? Oder sind Sie allein und es macht Sie traurig, wenn andere ihre Liebe in epischer Breite zelebrieren? Nun, es gibt viele Gründe, den Valentinstag nicht zu mögen!
Vorgestern, am 14. Februar, war wieder einmal Valentinstag. Ein Tag wie etwa Halloween oder Weihnachten, die wie von der Werbeindustrie und damit von der Wirtschaft ausgeschlachtet erscheinen. Aber es gibt viele weitere Gründe, den Valentinstag nicht zu mögen. Auch viel gewichtigere!
Es gibt verschiedene (oder keinen) Märtyrer namens Valentinus
Die Martyrologien, Verzeichnisse von Märtyrern und anderen Heiligen, führen in Verbindung mit dem 14. Februar Viten verschiedener Märtyrer namens Valentinus an. Valentin von Terni ist einer davon. Doch in dessen Hagiographie sind möglicherweise die Vitae mehrerer Märtyrer dieses Namens zusammengeflossen, so etwa die von Valentin von Rom. Zudem führt die englischsprachige Catholic Encyclopedia einen dritten Heiligen namens Valentin an, der in frühen Martyrologien vom 14. Februar erwähnt wurde. Allerdings gibt es wohl auch Hinweise darauf, dass die Leidensgeschichten der Heiligen und sogar deren ganze Existenz erfunden ist.
Aus dem Römischen Generalkalender gestrichen
Dies mögen Gründe dafür gewesen sein, weshalb das Fest des heiligen Valentin seit 1969 aus dem Calendarium Romanum Generale, dem Römischen Generalkalender, gestrichen ist. Dieser ist der weltweit gültige Rahmen des liturgischen Kalenders des römischen Ritus. Er regelt neben dem Weihnachts- und Osterfestkreis sowie den Sonntagen und den Festen im Kirchenjahr auch zahlreiche Gedenktage von Heiligen, die für die gesamte Kirche von Bedeutung sind.
Keine Verbindung mit dem römischen Frühlingsfest
Trotz der Behauptungen vieler Autoren gibt es keine Belege für eine Verbindung zwischen dem römischen Fest der Lupercalien, einer Art Frühlings- oder Fruchtbarkeitsfest, zwischen dem 13. und dem 15. Februar begangen, und dem Valentinstag. Die ersten Konnotationen zur romantischen Liebe und zum heiligen Valentin kamen erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts auf, als der englische Dichter Geoffrey Chaucer in seinem Gedicht „Parlement of Foules“ („Parlament der Vögel“, 1382) einen Zusammenhang zwischen der Partnerwahl und dem Valentinstag herstellte. Auch Shakespeare und weitere englische Autoren erwähnen den Valentinstag in verschiedenen Werken und stellen darin diese Verbindung her.
Der Valentinstag als höfisches Fest
Die erste Beschreibung des 14. Februar als jährliches Fest der Liebe erscheint in der „Charter of the Court of Love“, angeblich von König Karl VI. von Frankreich im Jahre 1400 in Mantes-la-Jolie herausgegeben. Sie beschreibt große Festlichkeiten, zu denen Festmähler, Wettbewerbe zu Liebesliedern und -poesie, Turnierkämpfe und Tanz gehörten und bei denen Mitglieder des königlichen Hofes zugegen waren.
Merke: Im gemeinen Volk existierte der Begriff der romantischen Liebe noch gar nicht; diese war als „Minne“ allein den Höfen und dem Rittertum vorbehalten!
Verse für literarisch Unbedarfte und die Massenproduktion von Valentinstagskarten
Schon früh haben Leute erkannt, dass es auch literarisch unbedarfte Menschen gibt. So brachte ein britischer Verleger 1797 das Werk „The Young Man’s Valentine Writer“ heraus, das Verse für junge Liebhaber enthielt, die nicht selbst dichten konnten. Zu dieser Zeit begann auch die Massenproduktion von Valentinstagskarten. Trotz des damals noch sehr teuren Portos erfreuten sich diese bald sehr großer Beliebtheit. Druckereien und die Post konnten sich die Hände reiben.
Die Schokoladenindustrie tritt auf den Plan
Im Jahr 1868 entwarf ein bekannter britischer Schokoladenhersteller zum Valentinstag dekorierte Pralinenschachteln in Form eines Herzens. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Praxis des Kartenaustausches auf sämtliche Arten von Geschenken ausgedehnt, wie zum Beispiel auf Blumen bis hin zu Schmuck. Spätestens hier wurden die europäischen Volksbräuche, die mit dem Valentinstag verbunden waren, von modernen angloamerikanischen Bräuchen, die den Tag mit der romantischen Liebe verbinden, verdrängt.
In Westdeutschland verbreitete sich der Valentinstag durch stationierte US-Soldaten erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Und durch die vor dem 14. Februar verstärkt einsetzende Werbung der Floristik- und Süßwarenindustrie. Von anderen Branchen, die später auch noch auf diesen gewinnträchtigen Zug aufsprangen, ganz zu schweigen.
Viele Gründe, den Valentinstag nicht zu mögen
Falls Sie also (auch) nichts zum Valentinstag erhalten haben, auch nicht so genau wissen, ob Sie diesen Tag lieben oder hassen sollen, finden, dass Liebe nicht so kommerziell ausgeschlachtet werden sollte, weder Schokolade noch Pralinen mögen, Blumen auch nicht, zumindest dann nicht, wenn sie quasi zwangsweise verschenkt werden, Rosa unter Ihren Lieblingsfarben nicht auftaucht oder Sie allein sind und es Sie traurig macht, wenn andere ihre Liebe in epischer Breite zelebrieren, sehen Sie, dass es viele Gründe gibt, den Valentinstag nicht zu mögen. Von der Unsicherheit seines Ursprungs her bis zu dessen Kommerzialisierung.
EIN Grund, den Valentinstag zu mögen
Es mag aber sein, dass es jemanden gibt, der/dem Sie gern Ihre Liebe schenken würden, sich aber nicht trauen. Oder von der/dem Sie ahnen, dass er/sie dies nicht erwidert. Sie diesem Tag also nicht unbedingt negativ gegenüberstehen. Nun, die sehr ungewöhnliche Ballade zum Valentinstag „My Funny Valentine“ mag Ihnen gefallen.
Sie stammt aus dem Broadway-Musical „Babes in Arms“, komponiert von Richard Rodgers mit dem Text von Lorenz Hart aus dem Jahr 1937. Sie avancierte aber auch bald zu einem Jazz-Standard. Der Text bezieht sich auf einen Mann namens Valentine und enthält für ein Liebeslied so unübliche Textzeilen wie „My funny Valentine, sweet comic Valentine, you make me smile in my heart“ und „Your looks are laughable, unphotographable. […] Is your mouth a little weak when you open it to speak?“. Trotzdem solle er sich nicht ändern, weil er gerade so geliebt werde. Sie endet mit den Worten
But don’t change a hair for me
Not if you care for me
Stay little Valentine stay
Each day is Valentine’s day
Es geht also darum, einen Menschen so zu lieben, wie er/sie ist. Dann kann (und soll) jeder Tag ein Valentinstag sein!
Hier in einer wunderbaren und herzerweichenden Version des unvergessenen Chet Baker und seinem Sextett in Turin vom 8. November 1959. Sie eignet sich aber auch (und vielleicht gerade) für Leute, die diesen Tag nicht mögen!
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Weitere Verweise
- Der sehr ausführliche Wikipedia-Artikel „Valentinstag“
- SWR2: „Valentinstag: ‚Dein ist mein ganzes Herz‘: Lovesongs zum Fürchten“ vom 14. Februar 2023 (allein schon wegen des Fotos vom früheren Schlagersänger Peter Maffay unbedingt aufrufenswert!)
- WDR 3: „Liebe wird oft überbewertet: Anti-Love-Songs zum Valentinstag“ auch vom 14. Februar 2023
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