Kachelmann ein Vergewaltiger?
Hand aufs Herz: Wer hat angesichts der Schlagzeilen der letzten Tage unter anderem der vorgeblichen „Zeitung“ mit den großen Lettern nicht schon mindestens geglaubt, dass daran etwas sein könnte? Vor allem nach der Überschrift von gestern, die scheinheilig fragte, ob Kachelmann „das zuzutrauen“ sei?
Liest man diese Schlagzeilen, ist der Reflex nahe sofort zu glauben oder wenigstens nicht infrage zu stellen, was man da liest, und es ist erschreckend, dass er bei vielen und sogar unter Bloggern bereits (vor)verurteilt zu sein scheint: Man gebe einmal „Kachelmann“ in eine Blog-Suche ein …
Es gilt die Unschuldsvermutung!
Es soll hier nicht um Schuld oder Unschuld gehen, sondern zunächst einmal darum, dass es in unserem Rechtssystem eine Unschuldsvermutung gibt, die besagt, dass jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig gilt! Weiterhin besagt der deutsche Pressekodex unter anderem, dass bei der Beschaffung von personenbezogenen Daten, Nachrichten, Informationsmaterial und Bildern keine unlauteren Methoden angewandt werden dürfen und dass unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen als solche kenntlich zu machen sind.
Verletzte Persönlichkeitsrechte
Wie kam es aber überhaupt dazu, dass die Medien herausbekommen haben, dass es um Jörg Kachelmann geht, obwohl die Staatsanwaltschaft Mannheim angeblich lediglich berichtete, dass sie „gegen einen 51-jährigen Journalisten und Moderator ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vergewaltigung führe“ und weitergehende Auskünfte aus Ermittlungsgründen und im Hinblick auf die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten nicht erteilt werden würden? (Eine Frage übrigens, die sich schon im Fall der Trunkenheitsfahrt der damaligen Landesbischöfin Margot Käßmann stellte, da bei Alkoholkontrollen im Straßenverkehr keine personenbezogenen Daten weitergegeben werden!)
Keine Skrupel, um an Informationen zu gelangen
Dass diese vorgebliche „Zeitung“ wenig Skrupel kennt, sich ihre „Informationen“ zu besorgen, kennt man spätestens seit dem Fall eines ehemaligen Klassenkameraden von mir, der sich Ende der 1970er-Jahre plötzlich verhaftet und als „Vampir von Sachsenhausen“ in den Schlagzeilen dieses Schmutzblatts wiederfand: Hier sind vorgebliche „Reporter“ sogar in die polizeilich versiegelte Wohnung des Betroffenen eingebrochen, um an private Bilder zu gelangen, die anschließend in diesem Blatt präsentiert wurden, und um den „Tatort“ beschreiben zu können! (Dass auch das „links-alternative“ Blatt Pflasterstrand diese Geschichte in vergleichbarem Stil ausschlachtete, bevor sich sämtliche Anschuldigungen als haltlos herausstellten, sei hier nur am Rande erwähnt …)
Fazit
Es wird hier also in einer bisher kaum gekannten und zudem widerlichen Aktion ein Prominenter öffentlich vorgeführt, für den eben diese Unschuldsvermutung zu gelten hat, und das mit ziemlicher Sicherheit mithilfe wenigstens einzelner Beamter der ermittelnden Behörden, die seinen Namen publik gemacht hatten! Umso erstaunlicher ist es, dass beim Deutschen Presserat bisher keinerlei Beschwerden über eine verfehlte oder überzogene Berichterstattung einzelner Medien oder journalistische Verhaltensweisen vorliegen. Wenigstens hat sein Anwalt inzwischen Strafanzeige gegen die ermittelnden Behörden gestellt.
Aber jeder liest die „Zeitung“ (und die Blogs), die er verdient (und intellektuell verkraften kann). „BILD dir deine Meinung“? Irrtum! Hier (und nicht nur in diesem Blatt!) wird Meinung vorgekaut und wieder ausgespien, die ihre Leser nur noch zu sich nehmen und verdauen müssen. Und warum sollten einzelne Blogger einen besseren Magen haben?
Mahlzeit!
(Ähnlicher Beitrag: Auge um Auge)
Natürlich weiß vor allem der Außenstehende, nur durch die Medien informierte, nie, was an solchen Vorwürfen dran ist. Insoweit haben die Medien eine Verantwortung, der sich zumindest Teile nicht bewusst sind oder sie, was wahrscheinlicher ist, gewinnmaximierend verdrängen. Denn was wäre die „Blöd“-Zeitung (Zitat eines TV-Kommissars) ohne reißerische Schlagzeilen in einer Größe für Sehgeschädigte ohne solche „Ereignisse“. Ich habe mal in eine Suchmaschine „Kachelmann Vergewaltigung“ eingegeben, um mir einen 3-Minuten-Überblick zu verschaffen. Da wird z.B. angeführt, dass er in Talkrunden anzügliche Bemerkungen gemacht haben soll, was als mögliches Indiz für eine Vergewaltigung gelten könnte. Offenbar trägt auch das intensive Gucken von Talkrunden zur Verblödung bei wie es einzelne Blätter, s.o., auch tun. Es gab aber auch andere, die unterstellt haben, dass K. jemandem gehörig auf die Füße getreten sein muss, was ja nur so zu verstehen ist, dass man ihm möglicherweise was anhängt und er demzufolge unschuldig wäre. Diese Möglichkeit würde bedeuten, dass die Ex-Freundin instrumentalisiert wurde (sich hat instrumentalisieren lassen, denn sie muss mitgemacht haben).
Das Ausplaudern von Ermittlungsergebnissen sollte im Wiederholungsfall mit Entlassung aus dem Beamtenverhältnis bestraft werden (Verurteilung ab 1 Jahr Haft hätte dieselbe Wirkung). Wahrscheinlich wird gegen entsprechende „Schmiere“ geplaudert. Wohl deshalb gibt es den Begriff Schmierenblatt. Leider wird man so etwas schwer nachweisen können.
Letztlich ist jeder Mann angreifbar, wenn ihm eine Frau eine Vergewaltigung unterstellt, z.B. weil sie Racheglüste befriedigen will. Ich halte es für besonders perfide und sowohl dem betroffenen Mann als auch allen Frauen gegenüber für verabscheuungswürdig, denn die unterstellte Tat spielt sich naturgemäß immer im Verborgenen ab. Außerdem: wird die Ex-Freundin von K. der Falschanschuldigung überführt oder das Verfahren mangels Beweisen eingestellt, bleiben in der Öffentlichkeit zwei Eindrücke zurück:
1. an dem Vorwurf war vielleicht doch was dran, ein Schatten bleibt also auf Kachelmann zurück.
2. wenn Frauen eine Vergewaltigung anzeigen, ist das kriminelle Geschehen erst mal in Frage zu stellen. Für tatsächlich vergewaltigte Frauen ist das eine dramatische Erfahrung und Demütigung. Es läuft letztlich darauf hinaus, dass sie beweisen muss, was geschah, was schwierig ist, wenn sie keine eindeutigen Verletzungen davongetragen hat, denn alles passierte im Verborgenen.
Mir stellte sich spontan die Frage, warum hier das ‚angebliche‘ Ereignis mit ca. einem Monat Verspätung angezeigt wurde. Ein oder zwei Tage später wäre für die Ermittlung schon schlecht, aber irgendwie nachvollziehbar, aber ein ganzer Monat lässt bei mir Zweifel an der Aussage gedeihen. Eine Vergewaltigung lässt sich nach so langer Zeit nicht mehr nachweisen, zudem die üblichen Indizien (DNA…) kaum helfen würden, da die beiden ja zuvor ein Paar waren.
Zu einem fairen Prozess gehört es, jede Vorverurteilung zu vermeiden. Früher konnte man einen Gefangenen an ein fremdes Gericht übergeben, um ihn vor Lynchjustiz zu schützen, heute sorgen e i n i g e Medien dafür, dass die Fairness und Wahrheitsliebe ganz den Bedürfnissen der Medien untergeordnet werden. Presserat ? Wo kein Kläger, da kein Richter! Hinterher ist es im Übrigen immer zu spät…. für den aktuellen Fall.
Die Festnahme am Frankfurter Flughafen war von einer Sonderkommission drei Wochen lang geplant worden, um so wenig Aufsehen wie möglich hervorzurufen, wie etwa die Frankfurter Rundschau schreibt.
zu dem bevorstehenden Prozess:
„Der Fall Kachelmann. Lügen-Haft?“ in der Legal Tribune
[Linktext eingefügt. Der Administrator]
Von Experimenten, die belegen, dass Zeugen z. B. schon nach kürzester Zeit nicht mehr wissen, welche Farbe ein Unfallauto gehabt hat, habe ich auch gehört und gelesen. Aber hier geht es um eine ganz andere Dimension, und dieser Verweis auf den Artikel aus Legal Tribune Online beleuchtet das sehr gut!
Wenigstens ist es erleichternd, dass Kachelmann erst einmal aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, auch wenn sein Prozess erst später als im September stattfinden kann, weil Prozesse gegen inhaftierte Angeklagte Vorrang haben.
Nur, wie vorher geschrieben: Seine Karriere dürfte vorbei sein, egal, wie der Prozess ausgehen wird!
Pingback:„Hartz IV-Hammer“? – Ronalds Notizen