Huckepack
Monika oder Das kleine Glück
Und so kam es, dass ich Monika huckepack auf meinem Rücken trug.
Monika ist das, was man eine herbe Schönheit nennt, sehr schlank, fast schon zu dünn, schulterlange blonde, glatte Haare, die ein wenig strähnig wirken, hellblaue Augen in einem schmalen Gesicht, aus dem ihre Nase hervorsticht. „Adlernase“, sagte sie immer. Alois hingegen ist etwas kleiner als sie, leicht korpulent, hinkt leicht mit einem Bein, und älter als sie. Markant an ihm ist allenfalls seine schnarrende Stimme. Und sein immerwährender Humor, der wohl von seinem Hinken ablenken, es kaschieren soll. Und Monika und Alois sind ein Paar.
Ich war immer geneigt zu fragen, wie sie sich kennengelernt hatten und was sie verband. Äußerlich passen sie nicht zueinander, und Liebespaare heißen anders: Wolfgang und Petra, Oliver und Julia, Stefan und Laila, aber nicht Alois und Monika. Allenfalls etwas Bürgerliches, sehr Normales, fast Biederes, Einfaches, das sich auch in ihrer beider Kleidung niederschlug. Aber ich mag die beiden; auf irgendeine Art, dessen Warum mir unerklärbar ist, besonders Monika.
Wir gingen einmal zu dritt spazieren, als ich Monika zum ersten Mal huckepack nahm. Sie konnte ihrer Schuhe wegen nicht mehr laufen, ihre Füße schmerzten. Alois gab sich, als ob es ihn nicht störte, er nahm auch diese Situation mit Humor, machte seine Witze. Monika jedoch schien es zu genießen, sie war still, sagte kein Wort, jauchzte auch nicht, wie es Kinder tun oder alberne Mädchen, wenn sie getragen werden.
Viel später ergab sich eine solche Situation erneut, dass ich Monika huckepack auf meinen Rücken nahm. Diesmal aber nicht wegen schmerzender Füße, sondern weil beide es so zu wollen, zu provozieren schienen. Besonders Alois schien darauf zu drängen. Ich trug sie leicht, denn sie ist nicht schwer, machte sich leicht und war keine Last. Ihre lange, leichte, dunkelblaue Strickjacke hing hinten herunter, ich konnte sie spüren, an meinen Armen, die Monikas Beine hielten, wie sie schlenkerte, ihre Arme darin lagen auf meinen Schultern um meinen Hals, die Wolle scheuerte etwas daran, ihre Hände hatte sie davor verschränkt. Ihre Beine in ihren ein wenig billig wirkenden hellblauen Jeans ließ sie locker hängen. Auch diesmal war sie still. Auch dann noch, als Alois, der anfangs wieder seine Witze machte, langsam zurückfiel und wir ihn aus den Augen verloren hatten. Wo war er geblieben? Wollte er uns etwa allein lassen?
Wir liefen schweigend weiter. Ein kleines Wäldchen umgab uns. Zum ersten Mal, seit ich sie kannte, ahnte ich einen Hauch von Parfüm an ihr, von dem ich nicht sicher war, ob es zu ihr passte. Etwas zu süßlich vielleicht und sicher nicht das teuerste. Aber diesmal ahnte ich auch, noch mehr als zuvor, dass sie diesen Ritt genoss.
Als wir irgendwann wieder auf Alois stießen, der in der Ferne zu sehen war, ließ ich sie herunter. Sie umarmte mich und hielt mir eine Wange zum Kusse hin, was sie noch nie zuvor getan hatte. Ich konnte sie riechen. Und hören, wie sie mit erstaunter und verwunderter, ehrfurchtsvoller, leiser Stimme sagte: „Unglaublich klein eigentlich, das Glück!“
(Siehe hier etwa auch „Der Tag war schön“!)
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Schöne Geschichte! 🙂
Die Namen der beteiligten Personen tauchten im Traum, und um einen solchen handelt es sich hier, natürlich nicht auf; sie entstammten Assoziationen zu real existierende Personen und wurden nach ihnen benannt, aber charakterlich verändert, was sie hoffentlich verzeihen mögen, falls sie jemals auf diesen Beitrag stoßen sollten. Von ihr habe ich übrigens noch ein kleines Geschenk namens „Luise“ …
Dass dieser Beitrag gefällt (und das noch einer Monika!), ja, überhaupt gefunden wurde, freut den Autor natürlich. Das Glück ist manchmal tatsächlich einfach nur klein!
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