Eine Frau twittert
Erika Steinbach twittert gern. Und streitbar, um es gelinde auszudrücken. Doch besonders mit ihrem bis dato letzten anstößigen Tweet, dem Bild eines blonden Jungen unter dunkelhäutigen Mädchen, schoss sie ein Eigentor. Der NDR deckte den Ursprung des Bildes auf.
Erika Steinbach und der Ursprung ihres fremdenfeindlichen Twitter-Bilds
Das Problem der sozialen Netzwerke ist allerdings die manchmal etwas unglückliche Kombination aus Denkfaulheit, Rechtschreibschwäche und Internetanschluss.
(Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig am 12. Politischen Aschermittwoch 2016 im Berliner Tempodrom)
Erika Steinbach ist eine streitbare Frau. Und sie twittert gern. Ein Kombination allerdings, die oft in die Hose gehen kann, um es mal salopp auszudrücken.
„Die Nazis waren eine linke Partei“
Wer in Frankfurt am Main wohnt, kennt sie bereits aus ihrer Zeit als Stadtverordnete und Assistentin der CDU-Stadtverordnetenfraktion, der sie von 1977 bis 1990 angehörte (siehe besonders die älteren Suchergebnisse im Journal Frankfurt). Seit 1990 ist sie Mitglied des Deutschen Bundestages und seit November 2005 Vorsitzende der Arbeitsgruppe Menschenrechte und humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sowie stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Kultur und Medien und des Innenausschusses. Ausgerechnet Menschenrechte, mag man angesichts ihrer vielen menschenfeindlichen Tweets zu Recht denken! Da sie selbst über Fluchterfahrungen verfügt (im Januar 1945 flüchtete ihre Mutter mit der 18 Monate alten Erika und der drei Monate alten zweiten Tochter vor der Roten Armee über die Ostsee nach Schleswig-Holstein), sind ihre Tweets gegen die Fluchtbewegungen heute, wieder gelinde gesagt, reichlich merkwürdig.
Beispielsweise schrieb sie am 1. Februar 2012:
Irrtum. Die NAZIS waren eine linke Partei. Vergessen? NationalSOZIALISTISCHE deutsche ARBEITERPARTEI…..
(zitiert nach David Gutensohn, The Huffington Post: „Die zehn peinlichsten Tweets von Erika Steinbach“ vom 19. Januar 2015, hier aus dem Internet Archive)
Eine Anmerkung hierzu: Ihr Vater wurde 1941 als Feldwebel der Luftwaffe in das ab 1939 vom Deutschen Reich besetzte Rumia/Rahmel beordert und geriet im Februar 1945 in sowjetische Kriegsgefangenschaft, aus der er erst 1950 zurückkam. Erika Steinbach war zudem von Mai 1998 bis November 2014 Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) und Mitglied des Bundesvorstandes der Landsmannschaft Westpreußen im BdV. Aus der Geschichte nichts gelernt?
Bildklau für einen perfiden Tweet
So stellte sie am 27. Februar 2016 ein Bild eines kleinen blonden Jungen inmitten einer Gruppe von, wie sich bald herausstellte, südindischen Mädchen mit der Überschrift „Deutschland 2030“ und dem Untertitel „Woher kommst du denn?“ online. Damit wollte sie offensichtlich eine zukünftige Überfremdung darstellen, der Deutschland ausgesetzt sei. Doch woher stammt das Bild eigentlich?
Nach den Recherchen des Medienmagazins „ZAPP“ des Norddeutschen Rundfunks (NDR) wurde das von Erika Steinbach verwendete Bild von einer australischen Familie 2011 bei einem Besuch des Kinderheims in Chennai im südöstlichen Indien fotografiert, als sie dort Spenden überreichen wollten. Die Familie hatte ihren damals 18 Monate alten Sohn zusammen mit Bewohnerinnen des Kinderheims abgelichtet. Die fremdenfeindliche und zudem widerrechtliche Verwendung des Bildes mache die Familie traurig: „Wir sind sehr traurig, dass das Bild für solche Propaganda verwendet wird. Wir hatten genau das Gegenteil im Sinn“, sagte die australische Familie gegenüber „ZAPP“. „Das auf eine negative Weise zu verwenden, unterstützen wir auf gar keinen Fall.“
Aber Erika Steinbach wäre nicht Erika Steinbach, wenn sie, mit den Rechercheergebnissen des NDR konfrontiert, nicht schon wieder Tweets parat hätte:
Wundere mich höchstens, wofür manches Medium und mancher Journalist seine Zeit aufwendet!
(Erika Steinbach am 23. März 2016 auf Twitter)
und
Haben Medien in diesen Zeiten sonst keine Sorgen?
(Erika Steinbach am 23. März 2016 auf Twitter)
Nun, „Extra 3“, die Satiresendung ebenfalls vom NDR, hatte bereits vorher mit diesem Bild reagiert: „Deutschland 2017: Willkommen im Heim, Frau Steinbach!“. Tja, Frau Steinbach, wenn dieser Schuss nur mal nicht (wieder) nach hinten losgeht!
Siehe auch
- Nils Bremer, Journal Frankfurt: „So twittern Sie wie @SteinbachErika – In 10 Schritten zum Shitstorm à la Erika Steinbach“ vom 29. Februar 2016
- The Huffington Post: „Nehmt Erika Steinbach endlich das Internet weg“ vom 25. Juli 2015
- und dort weitere Suchergebnisse zu ihr
- „Was Sie schon immer (nicht) wissen wollten (15)“ über die Gefällt-mir-Klicks und Follower der Parteien bei Facebook und Twitter
- „Schlechte Deutschkenntnisse“
- sowie zu einer ganz anderen Frau: „Eine Frau im Waschsalon“!
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