Reklame
Dumme Werbung hat immer zwei Urheber: Kunden, die sie wollen. Und Kreative, die sie machen.
(„100 Ratschläge für Kreative“ auf Texter.de – Verzeichnis für Texter & Autoren, Nr. 38; da die Seite nicht mehr existiert, hier aus dem Internet Archive.)
„Früher ging man für den Umweltschutz auf die Straße“, steht es über einem Foto einer Sitzblockade während einer Demonstration vermutlich aus den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. Darunter: „Heute ins Büro.“ Was will uns diese Reklame sagen?
Donnerwetter, welch ein kreativer Höhepunkt der Werbung. „Früher ging man für den Umweltschutz auf die Straße“. So steht es über einem Foto einer Sitzblockade während einer Demonstration vermutlich aus den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. Darunter steht: „Heute ins Büro.“ Weiter heißt es in der Werbung in der Zeitschrift „B4B MITTELSTAND“ vom Juni 2010: „Einfach nur dasitzen ist im Umweltschutz eine bewährte Erfolgsstrategie. Besonders erfolgreich sitzt es sich dabei vor dem“ angeblich „um bis zu 50 %“ im Stromverbrauch reduzierten Flachbildschirm des beworbenen Herstellers. Schließlich folgt mit dem Verweis auf die Internetseite des Monitors der Hinweis, dass man „selbst für weitere Infos […] jetzt nicht mehr auf die Straße“ muss.
Wie viel Energie in den Köpfen und in den Büros der Werber wohl verbraucht wurde? Oder eher: wie wenig?
Reklame, ein höchst bedeutsames Kulturmoment unserer Zeit …
Ein geistreicher Schriftsteller zählte zu den notwendigen Übeln außer dem Kriege noch die Chirurgen, Henker, Gerichtsvollzieher, Totengräber und Polizisten, ich füge dieser Sammlung noch ein siebentes hinzu — die Reklame. Kein Mensch wird wohl behaupten, dass die Reklame eine besonders erfreuliche oder angenehme Sache sei, und namentlich in Deutschland gibt es viele Kaufleute, die eine heilige Scheu vor aller geschäftlichen Ankündigung haben. Aber trotz aller Ausschreitungen, welche sich das Reklamewesen in neuerer Zeit gestattet, trotz des Vorschubes, den der Schwindel leistet, ist die Reklame doch ein höchst bedeutsames Kulturmoment unserer Zeit. Mit dieser Macht, welche sowohl segensreich, als auch verhängnisvoll auf den modernen Handel und Wandel einwirkt, muss gerechnet werden,
schrieb Rudolf Cronau schon 1887 in „Das Buch der Reklame“, zitiert nach Sprachnachrichten Nr. 46 vom Juni 2010. Und weiter: „Seit undenklichen Zeiten ist sie eine der meistgebrauchten Waffen gewesen, die im Kampf ums Dasein zur Anwendung kamen.“
In der Tat!
… und eine machtvolle Waffe im Kampf ums Dasein
Welche Macht, die hier eindeutig segensreich einwirkt! Welch machtvolle Waffe im Kampf ums Dasein!
Welch ruhiges Gewissen wir doch haben können, wenn wir eines Tages wegen extrem gestiegener oder gefallener Temperaturen mit natürlich energieeffizienten Klimaanlagen oder Heizungen in unseren Büros vor ebendiesem Bildschirm ausharren! Sofern jene dann noch stehen.
Und wenn nicht, sehen wir vor unseren geistigen Augen noch einen letzten Werber der zuständigen „Kreativagentur“ (Eigenbezeichnung), der sich inmitten einer verwüsteten Erde an einer letzten noch verbliebenen Reklametafel mit eben dieser Werbung festhält und ausruft: „Ihr hättet ja nur diesen Flachbildschirm kaufen müssen!“
PS: Den Namen des Herstellers dieses Rechnerzubehörs übermittelt der Verfasser auf Anfrage gerne. Und den der veranstaltenden „Agentur für Werbung GmbH“, auf deren Internetseiten diese Reklame im Bild zu bewundern ist, natürlich auch. Damit niemand (mehr) auf die Straße gehen muss …
(Siehe hier auch „Der ADC und Schlingensief“, „Guerilla-Marketing“ und „Befragung“!)
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