Seltsame Früchte hängen von Pappeln
Die Sängerin Billie Holiday gehört seit Langem zu den am meisten verehrten Künstlern des Autors. 1939 erschien das Lied Strange Fruit, das die Lynchmorde an Schwarzen thematisiert, zum ersten Mal von ihr gesungen. Nicht nur angesichts ihres hundertsten Geburtstages in diesem Jahr Zeit, sich wieder einmal an diese großartige Sängerin und besonders an dieses Lied zu erinnern!
Das Lied Strange Fruit und seine mahnende Wirkung bis heute
Das Leben und Sterben der Billie Holiday

Billie Holiday auf einem Polizeifoto vom 16. Mai 1947 (Justizministerium der Vereinigten Staaten/ Wikimedia Commons)
Rassismus und Lynchmorde: Abel Meeropol und Strange Fruit

Ansichtskarte mit der Mitteilung: „This is the Barbecue we had last night my picture is to the left with a cross over it your son Joe.“ (The Crisis/ W.E.B. DuBois, editor/ Wikimedia Commons)
In einem Klub der linken und liberalen Intellektuellen New Yorks stellte der Besitzer Holiday und Meeropol schließlich einander vor. Obwohl sie zunächst Bedenken hatte, das Lied in ihr Programm aufzunehmen, weil es zu sehr von ihrem Repertoire abwich, probierte sie es dann 1939 doch. In diesem Jahr fanden bereits drei Fälle von Selbstjustiz statt, und eine Umfrage in den Südstaaten ergab, dass sechs von zehn Weißen die Praxis des Lynchens befürworteten.
Die Wirkung von Strange Fruit
Billie Holiday gestaltete das vor ihr mit viel Pathos vorgetragene Mitleidsstück nicht nur in einen unmittelbaren und eindringlichen Vortrag um, sondern auch in eine der stärksten künstlerischen Aussagen gegen die Selbstjustiz in den Südstaaten, ja, gegen die Unmenschlichkeit des Menschen überhaupt. Es wurde bald eine frühe Hymne der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und ist zudem das erste und einzige mir bekannte Protestlied im Jazz. Selbstredend war es in den USA lange im Radio unerwünscht, selbst die BBC wollte das Lied anfangs nicht spielen, und in Südafrika war es während der Apartheid verboten. Viele andere berühmte Künstlerinnen und Künstler wie beispielsweise Carmen McRae, Eartha Kitt, Diana Ross, Pete Seeger, Nina Simone, Tori Amos, Cassandra Wilson und Sting interpretierten das Lied, doch keine ihrer Versionen reicht an die von Holiday heran, selbst die des ebenfalls sehr verehrten Robert Wyatt nicht.
Die erschreckend hohe Zahl von durch Polizeigewalt getöteten, meist unbewaffneten Afroamerikanern und die Tatsache, dass im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung in den USA überproportional viele Afroamerikaner in Gefängnissen einsitzen, zeigt, dass wahre Gleichheit noch lange nicht erreicht ist. Und wenn Menschen anderer Herkunft und Hautfarbe oder wegen ihres Glaubens nicht nur in den USA, sondern auch hierzulande beschimpft, verfolgt, gehetzt und auch ermordet werden (siehe hier beispielsweise „Der Nazi in uns“), wenn nicht nur angesichts gerade im Zusammenhang schon eines Verdachts des Besitzes von Kinderpornografie (siehe hier „Der Volkszorn im Fall Edathy“) oder der Vergewaltigung (siehe hier „Kachelmann ein Vergewaltiger?“) im WWW unverhohlen zu Straftaten gegen die Verdächtigen auf- oder nach Wiedereinführung der Todesstrafe gerufen wird, dann mag die Hochzeit der Lynchmorde zwar vorbei sein, aber ein Wiederaufflammen ist zu befürchten.
Billie Holiday und das eindringliche Strange Fruit sollen uns nicht nur während des Jahres ihres hundertsten Geburtstages daran erinnern, dass diese dunklen Zeiten so lange noch nicht vorbei sind und jederzeit wieder aufleben können!
Strange Fruit: der Text
Southern trees bear strange fruit,
Blood on the leaves and blood at the root,
Black bodies swinging in the southern breeze,
Strange fruit hanging from the poplar trees.Pastoral scene of the gallant south,
The bulging eyes and the twisted mouth,
Scent of magnolias, sweet and fresh,
Then the sudden smell of burning flesh.Here is fruit for the crows to pluck,
For the rain to gather, for the wind to suck,
For the sun to rot, for the trees to drop,
Here is a strange and bitter crop.
Verweise zum Thema
- The Official Website of Billie Holiday (englisch)
- Billie Holiday: Biographie bei Fembio (eine Biografie aus feministischer Sicht, deutsch)
- Billie Holiday News, The New York Times (eine Übersicht über Artikel und Neuigkeiten zu und über Billie Holiday, englisch)
- Erinnerung an Billie Holiday. Zwischen Satin und Zuckerrohr, ZEIT ONLINE vom 17. Juli 2009 (deutsch)
- „Weihnachtsfrieden“ hier in diesen Notizen über Menschlichkeit zu ganz anderen unmenschlichen Zeiten
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Danke. Sehr lesenswert.
Dürfte ich den Text verlinken?
Michael
Danke für das Lob, und natürlich darf auf Beiträge von hier ein Link gesetzt werden! (Kurze) Zitate sind auch möglich; alles Weitere hierzu steht im Impressum unter dem Abschnitt „Urheberrecht“. Falls du von einem anderen WordPress-Blog verlinkst, sende doch einen Trackback-Link, der dann auch hier unter dem Beitrag erscheint.
Ronald
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