Seuchen brauchen Sündenböcke
Verschwörungsmythen sind alt. Und wann immer es in der Geschichte der Menschheit große Seuchen gab, mussten Schuldige gefunden werden. Seuchen brauchen Sündenböcke! Die Literatur ist voll von Beispielen dafür. Ein Beitrag in Deutschlandfunk Kultur widmet sich Seuchen in der Literatur.
Bei der Pest im Mittelalter waren die Schuldigen schnell ausgemacht: Die Juden haben die Brunnen vergiftet. (Dass die Juden die Brunnen selbst nutzten, sie sich also somit selbst vergiftet haben sollen, fiel wohl niemand ein, und dass die fast völlige Ausrottung der Katzen in Mitteleuropa, weil die Kirche sie als satanische Wesen angesehen hatte, für den Ausbruch der Pest mitverantwortlich war, weil sich Mäuse und Ratten so ungehindert ausbreiten konnten, sei hier nebenbei bemerkt.) Doch schon im antiken Griechenland fanden Seuchen Eingang in die Literatur (Thukydides: „Geschichte des Peloponnesischen Krieges“, Sophokles: „König Ödipus“). Dies setzt sich mit Edgar Allan Poe („Die Maske des roten Todes“, „König Pest“), Luigi Pirandello („Der Hauch“), Albert Camus („Die Pest“), Philip Roth („Nemesis“) und José Saramago („Die Stadt der Blinden“) fort bis in die Neuzeit. Und wenn es nicht um Sündenböcke geht, dann um diejenigen, die die Seuche zu ihren Gunsten ausnutzen. Selbst Autoren, die für diese Art von Literatur wenig bekannt sind, widmeten sich dem Thema. So Daniel Defoe in „Die Pest zu London“, in dem Quacksalber und Beutelschneider die Not der Menschen in klingende Münze verwandeln.Seuchen brauchen Sündenböcke – oder andere, die ihre Geschäfte mit ihnen machen. Doch immer verändern sie die Betroffenen! Ein sehr hörens- und auch lesenswerter Beitrag:
Deutschlandfunk Kultur: „Ansteckung – Seuchen in der Literatur“ (56 Minuten, verfügbar bis zum 19. Januar 2038) vom 24. Mai 2020. Ein PDF des Manuskripts lässt sich dort herunterladen.
(Siehe hier etwa auch: „Kein Staat zu machen!“ und „Das Wissen der Katze“!)
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