Die frühere Haschwiese in Frankfurt am Main
Wer in dieser Stadt in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts kiffte, also Haschisch oder Marihuana rauchte, kann sich an sie erinnern. Man kam nicht „an ihr vorbei“. Und wer doch, hat wenigstens von ihr gehört: die frühere Haschwiese in Frankfurt am Main.
Nimm einen Joint, mein Freund,
That spends all dei‘ Freud‘, mein Freund,
Some people say: Hasch makes lasch!
But give me the joint.
(Aus Witthüser + Westrupp: Nimm einen Joint, mein Freund, von der LP „Trips und Träume“ von 1971)
Mit der Haschwiese in Frankfurt am Main bzw. dem Shit Park, wie die US-amerikanischen GIs sie nannten, verbinden mich viele Erinnerungen. Seit wann es sie gab, weiß ich nicht mehr. Seit den 1960ern?
Ich kannte sie jedenfalls erst so ab etwa Mitte der 1970er. Es war der Ort, an dem man sich Rauschmittel besorgen konnte. Hauptsächlich „weiche Drogen“: Haschisch oder Marihuana, aber hin und wieder auch LSD. Freunde von mir dealten, wie man den (Klein)handel mit Drogen nannte. Sie finanzierten damit ihren Eigenbedarf. Manchmal begleitete ich sie, was zunächst schon sehr aufregend für mich war.
Zumindest anfangs ging es dort aber ausgesprochen friedlich zu. Das änderte sich erst später, als mehr und mehr „Profis“ den Markt übernahmen, die begannen, Kleindealer zu vertreiben. Und mit der Abschaffung der Wehrpflicht in den USA. Mit ihr änderte sich der Typ des GIs vollkommen. Waren zurzeit der Wehrpflicht noch viele „Hippies“ unter ihnen, die eigentlich gegen Krieg und Wehrdienst waren, so kamen nun mehr und mehr Rednecks nach Deutschland, die auch viel aggressiver auftraten. Es kam häufig vor, dass die auch mal einen Kleindealer „rippten“, also ihm das Haschisch aus den Händen rissen und abhauten. Eine Erfahrung, die ich leider auch machen musste: Eine damalige Freundin hatte mich gebeten, hin und wieder mal etwas für sie zu verkaufen.
Nicht weit davon entfernt, am Marshall-Brunnen in der Taunusanlage in der Nähe der Alten Oper, befand sich damals auch noch ein Gammler-Treffpunkt. Gammler, so nannte man die Langhaarigen, die meist alte Bundeswehr-Parkas trugen, ansonsten nur faul waren, Arbeit verweigerten und damit gehörig provozierten. Ob sie kifften, bezweifle ich, bei ihnen war eher mal eine Bierflasche zu sehen. Und Gitarren. Außerdem gab es zeitlich parallel zur Szene in der Bockenheimer Anlage, wo die Haschwiese in Frankfurt am Main lag, eine Hippie-Wiese im Grüneburgpark. Es war die Wiese nördlich dieser schwarzen Gedenkstele für das im Krieg zerstörte Palais Grüneburg. Dort wurde allerdings nicht gedealt, sondern nur geraucht, und das ausgiebig!
Zu dieser Zeit lernte ich dort sehr viele US-Amerikaner/-innen kennen, zumal sich „gleich nebenan“ die High School und der „Teenclub“ befanden, ein Treffpunkt für Jugendliche. Auch einige US-Wohnsiedlungen waren nicht weit entfernt. Ein Großteil meiner damaligen Freunde und Bekannten setzte sich aus Schülerinnen und Schülern aus den USA in etwa meinem Alter zusammen. Und übrigens gab es unter den US-Amerikaner/-innen nicht nur GIs und Schüler/-innen, sondern auch viel ziviles Personal, das in US-Einrichtungen arbeitete.
Auch ich war mal für ein Jahr als ziviler Angestellter zuerst kurz als Lagerarbeiter, dann jedoch die meiste Zeit als Schriftsetzer in einer US-Militäreinrichtung in Frankfurt-Rödelheim, dem USAREUR Support Center, beschäftigt. Das Witzige daran: Der Personalchef, ein US-Amerikaner, war auch der Vater einer guten Freundin, mit der ich ausgiebig kiffte. Dies taten wir einmal auch bei ihr zu Hause. Als er zurückkam, musste ich flüchten, ohne von ihm gesehen zu werden. Aber das USAREUR Support Center gibt es schon lange nicht mehr. Eine irre Zeit dort mit Bekanntschaften aus aller Welt, aus denen sich einige gute Freundchaften entwickelten! Dass dort auch reichlich gekifft wurde, muss ich wohl nicht besonders erwähnen.
Die Anschläge der Rote Armee Fraktion (RAF) auf US-Einrichtungen hatten dann allerdings dafür gesorgt, dass sich die Amis mehr und mehr abgeschottet haben.
Irgendwann wurde auch die Polizei auf diese Wiese im Grüneburgpark aufmerksam. Zur Erinnerung: Erlaubten Besitz kleiner Mengen für den Eigenbedarf gab es damals noch nicht und selbst das Rauchen war verboten. Bin auch einige Male „gefilzt“ worden. Einmal tauchten sie sogar bei meinen Eltern auf, bei denen ich damals noch wohnte! Sie hatten nämlich vergessen, mir meine Geldbörse, die natürlich auch durchsucht wurde (zu viel Bargeld war verdächtig!), zurückzugeben. Bei den Razzien auf der Haschwiese rückte die Polizei oft mit Verstärkung durch die US-Militärpolizei an.
Damals wurde hier nur Haschisch („Shit“) konsumiert; Marihuana („Gras“) war so gut wie unbekannt. Es waren die GIs, die Letzteres einführten. Und später Leute, die Connections in die Niederlande hatten. Bekannte Haschischsorten waren „Schwarzer Afghane“ (sehr selten und teuer, weil sehr stark wirkend), „Roter Libanese“, „Paki“ (aus Pakistan, bei dem man sehr vorsichtig sein musste, weil gern mit allem möglichen Dreck „gestreckt“ verkauft) und „Marokkaner“ (oft unbeliebt deswegen, weil stark mit Pollen und Blüten der Pflanze versetzt, dann „Kif“ genannt).
Aber irgendwann nahm das Heroin überhand und mit ihm das ganze Elend der Sucht. Was Auswirkungen auf die Haschwiese in Frankfurt hatte. Einige gute Freunde landeten an der Nadel – und endeten daran. Aus den nettesten Menschen wurden solche, die nur noch ans Geld für den nächsten Schuss dachten. Dabei schreckten sie nicht davor zurück, selbst ihre bislang besten Freunde zu bestehlen. Von einigen habe ich nie wieder etwas gehört, aber das wäre eine ganz andere Geschichte …
Ach ja, Witthüser und Westrupp. Die wurden damals natürlich so gut wie überall gehört, besonders ihr Lied „Lasst uns auf die Reise gehen“. Ich habe die originale „Ohr“-LP „Trips und Träume“ von 1971 noch heute. Schade nur, dass mein Plattenspieler kaputt ist! Aber auch das wäre eine andere Geschichte.
(Siehe auch bei benwaylab: „Die Stadt, der Müll und das Hasch“ und in der FAZ: „Wie die Droge Heroin nach Frankfurt kam“ sowie hier „Robert Musil über das Rauchen“ und „Der Joint“!)
Schöner Text. Einiges, wovon Du hier berichtest, war mir schon von einem Deiner Kommentare bekannt. Dennoch finde ich es wichtig, dass Du über diese vergangene Epoche einen eigenen Artikel geschrieben hast.
Mich würde auch Deine Zeit als Zivilangestellter bei der USAREUR interessieren (kleine, unverbindliche Anregung für einen Artikel). Du sprichst von vielen unterschiedlichen Menschen, die dort gearbeitet haben. Woher kamen sie und was für ein Schmelztiegel war das?
Denn das ist auch eine Epoche, die die heute bis 30-jährigen gar nicht mehr kennen.
Danke! Ja, deine Antwort auf meinen Kommentar bei dir hat mich nicht nur dazu angeregt, diesen Beitrag zu verfassen, sondern auch eine neue eigene Kategorie für meine persönlichen Erinnerungen anzulegen. Viele alte Beiträge hier eigneten sich schon dafür, so etwa der über das „Mentz”, weitere werden noch hinzukommen. Und z. B. tatsächlich irgendwann einer über das USAREUR Support Center! „Schmelztiegel“ ist übrigens ein sehr gutes Wort dafür, werde ich mir merken.
Danke auch für diese Anregungen und den Kommentar!
Pingback:Das USAREUR Support Center in Frankfurt-Rödelheim – Ronalds Notizen
Ich kenne die Haschwiese seit 1978 und auch noch die Drogenszene am Stadtbad-Mitte seit 1979. Dort habe ich mein erstes Heroin besorgt. Ein halbes Pack kostete 40 DM und man konnte das locker zu zweit nehmen, manchmal auch durch 4 teilen.
Ich habe dem „Umzug“ in die Taunusanlage mitbekommen und war auch oft im Lesegarten. In den 90ern fing dann die Zeit mit dem Kokain an und die Bomben (viele Schwarzafrikaner haben sich die Bomben in den Mund gesteckt, damit sie es schlucken konnten, wenn die Polizei kam) Koks und Heroin als Cocktail war der absolute Hammer damals. Es gab Dealer, die auch immer beides hatten. Zum Glück bin ich seit 1997 von der Droge losgekommen, aber diese Zeit werde ich nie vergessen.
Hallo, Stephan, danke für deinen Kommentar! Für unbedarfte Leserinnen und Leser eine Erläuterung: Die Standorte der Haschwiese und der Drogenszene am Stadtbad Mitte waren identisch, nur die Klientel änderte sich, wie auch in meiner Notiz beschrieben.
Um die spätere Drogenszene in der Taunusanlage hatte ich stets einen großen Bogen gemacht. Zu gruselig und oft auch aggressiv nahm ich die Abhängigen dort wahr. Ich habe jedoch später eine Frau kennengelernt, die als Bedienung im Café Karin gearbeitet hatte. Ihr Nachhauseweg mit dem Fahrrad ins Westend führte sie regelmäßig genau dort vorbei. Sie erzählte mir, dass die Leute ihr gegenüber absolut harmlos waren. Sie hielt oft an und unterhielt sich sogar mit ihnen. Oft brachte sie ihnen Lebensmittel vorbei, die im Café nicht mehr benutzt werden konnten. So war sie bekannt und die Leute vertrauten ihr.
Koks und Heroin zusammen einzunehmen, hatte ich später durch Bekannte kennengelernt, die wie ich damals im USAREUR Support Center in Rödelheim gearbeitet hatten. Ich habe jedoch nie gespritzt, nur geschnupft, und von Heroin hatte ich schnell die Finger gelassen, nachdem mir einmal nach dessen Gebrauch in der früheren Diskothek „Aquarius“ unheimlich schlecht geworden war.
Schön für dich, dass du davon losgekommen bist! Einige meiner damaligen Freunde und Bekannten hatten das auch geschafft, viele aber nicht. Das sind die im Beitrag Erwähnten, von denen ich nie wieder etwas gehört habe.
Hallo Stephan ich kenne auch die Shitwiese und club 65 Kinksclub Zoom das waren auch Coole Glubs man hört und liest wenig davon es waren auch sehr gute bands wenn man stone war.Im übrigen Cartein Laiain in der Hochstrasse Studenten
wurde damals schon grün diskotiert. Gary
[Wäre um einiges sinnvoller gewesen, die Antworten-Schaltfläche direkt unter dem Kommentar von Stephan zu nutzen; das erhöhte nämlich die Möglichkeit, dass er die Antwort sieht! (Siehe hierzu übrigens auch „In eigener Sache: Kommentare über Feedreader“.) Der Administrator]