Schlechte Laune?
Haben Sie öfter schlechte Laune? Was wir umgangssprachlich als solche bezeichnen, ist für die Kunst ein Glücksfall: Berühmte Werke wären ohne sie nicht entstanden! Ein Radiobeitrag in Deutschlandfunk Kultur widmet sich einem „Lob der schlechten Laune“.
Ohne schlechte Laune wäre das Leben nur halb so lustig. Schon der belgische Schriftsteller Georges Simenon soll gesagt haben:
Jeder Mensch hat ein Recht auf schlechte Laune. Man sollte das in die Verfassung aufnehmen.
Sie ist die Grundtemperatur unzufriedener Schnell- und Querdenker, Inspirationsquelle für Künstler, Alltagsphilosophen und -anarchisten, geistige Nahrung für Melancholiker und Romantiker. Gäbe es keine schlechte Laune, gäbe es keinen Schopenhauer, keinen Thomas Bernhard, keinen Dagobert Duck, keine Komödien mit Jack Nicholson und Molières „Der Menschenfeind“ wäre nicht geschrieben worden. Henning Mankells Kriminalromane um den melancholisch-verschatteten Kommissar Wallander oder die von Raymond Chandler um Philipp Marlowe in seiner rauen Schale wären ohne ihre Übellaunigkeit nicht so wirkungsvoll. Selbst in Kinderbüchern und Märchen kommt diese Stimmungslage vor.
Ich mein‘, das Leben hat an und für sich lauter Nachteile.
(Thomas Bernhard in einem Gespräch mit dem ORF-Redakteur Kurt Hofmann)
Etymologisch stammt der Begriff „Laune“ übrigens von luna ab, dem lateinischen Wort für Mond. Ursprünglich bezeichnete man damit eine vermeintlich vom Mondwechsel ausgehende (lunare) Einflussnahme auf den Menschen: Man erklärte mit dieser phasenbedingten Wandelhaftigkeit des Mondes seit dem Altertum einen merklichen und/oder plötzlichen Stimmungsumschwung. In Österreich nennt man die Übellaunigkeit auch „Mieselsucht“, hierzulande spricht man auch gern vom „Missmut“ oder von einer „Verstimmung“. Ein Mensch, der diese (aus)lebt, ist ein „Nörgler“, „Grantler“, „Miesepeter“ oder „Griesgram“.
Ein Lob der schlechten Laune
Was allerdings im wahren Leben meist abstößt, weil es nicht ins kollektive Wohlfühlprogramm unserer Zeit mit ihrem auf ökonomische Effizienz und emotionale Reibungslosigkeit angelegten Alltag passt, sorgt in der Kunst jedoch oft für gute Laune. Bei genauerer (Kunst-)Betrachtung entpuppt sich diese Gemütslage nämlich als vielschichtiger, höchst anregender und daher folgenreicher Gemütszustand!
Die Sendung zum Lesen und Hören: Lob der schlechten Laune – „Das Leben hat an und für sich nur Nachteile“ von Andrea Gerk vom 14. März 2021, eine Wiederholung vom 22. Oktober 2017. Dort können Sie sich auch das Manuskript als PDF herunterladen.
Weitere Verweise
- WELT: „Glücksforschung: Wir alle haben ein Recht auf schlechte Laune“ vom 27. August 2012
- Fuck the Falten: „Ein Hoch auf die schlechte Laune“ vom 6. Juni 2020
- und hier: die Gedichte „Bergab“ und „Das Unglück“ sowie „Schimpfen mit Shakespeare“
Ach, der Thomas Bernhard, einer meiner Lieblingsautoren. Ja, ihn zu lesen macht schon Spaß, gerade aufgrund der etwas unfröhlichen Stimmungslage. Im Alltag und in der wirklichen Welt sind die penetrant Übellaunigen und Miesepeter und -petras allerdings eine Plage, die man nur schwer ertragen kann. Jeder darf mal zwischendurch schlecht drauf sein, klar. Nur gibt es leider Menschen, die fortwährend ausschließlich negativ gestimmt sind. Von ihnen halte ich mich, soweit es möglich ist, ganz gerne fern.
Ich denke, dass es bei diesem Beitrag nicht um die „penetrant Übellaunigen und Miesepeter und -petras“ geht, die „fortwährend ausschließlich negativ gestimmt sind“, sondern eher um die zweitgenannte Kategorie, zu denen ich mich auch zähle. Und als solcher finde ich den Beitrag sehr tröstlich: Ich stehe damit nicht alleine da!