Zum Affen gemacht
Nur die Älteren können sich, wenn überhaupt, noch an Petermann erinnern. Er war ein Schimpanse des Kölner Zoos und und wurde zu seinen Lebzeiten regelrecht – zum Affen gemacht. Was ihm schließlich zum Verhängnis wurde.
Petermann kam kurz nach dem Zweiten Weltkrieg als Jungtier mit seiner Mutter per Schiff nach Europa. Seine Mutter verstarb jedoch schon bald nach ihrer Ankunft. Es waren Menschen, die ihn aufpäppelten und dabei schon vermenschlichten.
Ohne andere Schimpansen aufgewachsen, wurde der Affe schließlich dressiert, in menschlicher Kleidung Kunststücke aufzuführen und menschliches Verhalten nachzuahmen. So konnte er mit Essbesteck von einem Teller speisen, fuhr auf einem Motorrad umher oder wurde, in die Uniformen Kölner Karnevalsgesellschaften gesteckt, zu Auftritten auf Karnevalssitzungen gebracht. Bei seinen Auftritten, aber auch auf Postkarten und Plakaten, warb er für den Kölner Zoo.
So heißt es im entsprechenden Wikipedia-Artikel.
Eine fragwürdige Krönung seiner „Karriere“ war sein Auftritt im Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR), des Vorläufers des Norddeutschen Rundfunks (NDR), der am 25. Dezember 1952 auf Sendung ging. Zum Jahreswechsel 1952/1953 hatte Petermann im NWDR seinen ersten Fernsehauftritt, als er den Zuschauern, in einen Frack gekleidet, auf ein gutes Jahr 1953 zuprostete.
Weiter im Wikipedia-Artikel:
Nachdem er, zehnjährig, die Geschlechtsreife erlangt hatte, wurde er aufgrund der damit verbundenen gesteigerten Aggressivität aus dem Dressurprogramm genommen. Seine „menschliche“ Sozialisation unter Ausschluss von Artgenossen sowie die wenig artgerechte Haltung im Zoo führten zu schweren Verhaltensstörungen, welche die Möglichkeiten seiner Haltung wiederum einschränkten – ein artgerechtes Sozialverhalten unter Primaten erlernte er nicht mehr.
Als er nämlich zunehmend aggressiver auftrat und damit als problematisch galt, ließ man ihn fast drei Jahrzehnte lang nicht mehr aus seinem Käfig heraus.
Am 10. Oktober 1985 hatte sein Pfleger seine Käfigtür nicht richtig verschlossen. Zusammen mit der Schimpansin Susi brach Petermann aus seinem Käfig aus. Sie schlugen zunächst einen Tierpfleger zu Boden, um dann in der Futterküche den Zoodirektor Gunther Nogge mit Bissen in Kopf zu attackieren und ihn im Gesicht lebensgefährlich zu verletzen. Zoomitarbeiter konnten sie zunächst von ihrem Opfer trennen, wobei es einem Mitarbeiter gelang, sie an die Hand zu nehmen. Beim Versuch, sie in ihre Käfige zurückzubringen, rissen sie sich aber los und setzten ihre Flucht fort. Da Betäubungsmittel bei Primaten nur sehr verzögert wirken und somit Lebensgefahr für alle bestand, die ihnen zu nahe hätten kommen können, wurde Petermann noch auf dem Zoogelände von einem Mitarbeiter erschossen. Susi kurz darauf von der Polizei außerhalb des Zoos im Keller eines Wohnhauses, wo sie eine Mieterin entdeckte.
Dass er nach seinem Tod zu einem Mythos wurde, vornehmlich in der linken Szene, und dass zwei Bücher über ihn geschrieben und ein Film entstand, geschenkt. Aber wir sehen hieran sehr schön, was passieren kann, wenn man zum Affen gemacht wird.
Weitere Verweise:
- Helmut Frangenberg im Kölner Stadt-Anzeiger: Mythos: „Petermann, geh‘ du voran“ vom 8. Oktober 2010,
- Armin Himmelrath in DER SPIEGEL: „Wie ein Schimpanse in Köln zum Revolutionär wurde“ vom 10. Oktober 2018,
- Walter Filz in Deutschlandfunk Kultur: Featurearchiv – Spielen (3/3): „Affen. Unartig – Wilde Jahre einer haarigen Spezies“ vom 31. August 2021 (45 Minuten).
- Siehe hier etwa auch „Kommunikationsversuch“ und „Das Wissen der Katze“!
Das ist eine traurige Geschichte. Es bleibt zu hoffen, dass heute zumindest mehr in artgerechte Haltung investiert wird und solche Spielchen unterbleiben. Ich befürchte allerdings, wenn ich ganz allgemein zum Stichwort Tierhaltung Veröffentlichungen lese, dass die Menschheit nicht dazu lernt.
Ja, in Zoos werden die Tiere seitdem „artgerechter“ gehalten, so nicht nur Primaten in Familienverbänden. Was man von der Tierhaltung, hier besonders zur Lebensmittelproduktion (welch ein Wort in diesem Zusammenhang!), aber nicht behaupten kann (siehe z. B. „Achtung, Schweinestau!“)!
Pingback:Was Sie schon immer (nicht) wissen wollten (28) – Ronalds Notizen