Nudeln und Toilettenpapier
Seit Tagen sind sie aus Super- und Drogeriemarktketten verschwunden: Nudeln und Toilettenpapier. Es wirft ein Schlaglicht auf unsere Ängste vor einem Virus, das sich immer mehr auszubreitet. Ein sehr seltsames, wie ich hier erläutern möchte.
Das Coronavirus ist nicht dafür bekannt, übermäßigen Stuhlgang oder gar Dünnsch… zu befördern. Warum also solche Mengen Toilettenpapier? Und Nudeln? Gar ohne Soße und ohne italienischem geriebenen Käse? Inzwischen sind sogar die anfangs verschmähten Vollkornnudeln verschwunden! Dosentomaten sind zwar knapp, aber ein italienisches Nudelgericht ohne Reibekäse, der noch reichlich vorhanden ist? Und warum stehen beispielsweise noch genügend Dosen mit Obst oder Gemüse in den Regalen, die auch für Notfälle besorgt werden sollten? Und Tiefkühlkost? Marmelade? Was macht der oder die Deutsche also mit Nudeln und Toilettenpapier?
Kabarettisten haben schon gemutmaßt, dass sie zusammen verspeist werden. Also Nudeln MIT Toilettenpapier. Das kann ich mir jedoch selbst bei uns Schweinedeutschen kaum vorstellen. Im „Tagesspiegel“ versucht Gerrit Bartels (auch mittels Peter Handke und Sigmund Freud) eine Erklärung, nach der es sich beim Toilettenpapier um Anzeichen einer Sehnsucht nach einem „asozialen“, „antisozialen“ Rückzug auf das stille Örtchen handele:
Man könnte auch eine gewisse Sehnsucht vermuten. Eine Weltflucht, die sich paart mit der Flucht vor dem Virus. Denn ist nicht das stille Örtchen, vorausgesetzt es ist ordentlich desinfiziert, der sicherste Ort auf der Welt?
Ich schließe mich ein und das Virus ist weg, so könnte man dieses Verhalten umschreiben. Ähnlich argumentiert laut tagesschau.de auch der Psychologe und Geschäftsführer des Markt- und Medienforschungsinstituts „rheingold“ Stephan Grünewald:
Andererseits schwingt darin auch die Verheißung mit, mal zwei Wochen lang aus allen Zwängen raus zu sein, den Stress los zu sein und sich allein oder im Kreis der Familie den eigenen Interessen widmen zu können.
Doch geht diesem Verhalten nur leider ein anderes asoziales Verhalten voraus: das Leeren der Marktregale. Aus einem Nachbarschafts-Netzwerk:
Habt ihr einen an der Waffel? Nudeln, Toilettenpapier etc. alles weg…
Ihr seid echt asozial….
Nun, mit Dummheit hat man noch keine Krankheiten bekämpft. Mit Freud lassen sich die Hamsterkäufe von Toilettenpapier möglicherweise aber mit der analen Phase erklären:
Als ordnungsliebend, sparsam, penibel, starrsinnig und zwanghaft hat Freud den analen Charakter beschrieben.
Erkennen wir uns als Deutsche hier nicht zutiefst wieder?
So, jetzt muss ich kurz weg. Nein, nicht auf die Toilette. Einkaufen. Nudeln und Toilettenpapier. Obwohl: Eigentlich brauche ich nur Letzteres …
(Siehe im Tagesspiegel: „Coronavirus-Hamsterkäufe: Warum eigentlich Toilettenpapier?“ vom 5. März 2020, tagesschau.de: „Coronavirus: Sinn und Unsinn von ‚Hamsterkäufen‘“ vom 3. März 2020 und hier „Einkaufsverhalten“ und „Ich habe das Coronavirus erfunden!“ oder auch „Kalsarikänni: sich betrinken wie ein Finne“ als eine Alternative zu Nudeln und Toilettenpapier!)
Seit dem die Sache mit Corona in den Medien ist, frage ich mich, wie viel davon Panik und wie viel berechtigt ist. Sicherlich muss man in epidemischen Zeiten auf Gesundheit und bestimmte Maßnahmen beachten und Rücksicht nehmen. Aber das nun das gesamte öffentliche Leben still stehen soll, lässt doch ein paar Fragen offen. Heute nun habe ich durch Zufall folgenden Beitrag gesehen und frage mich inzwischen, wer an den Maßnahmen verdient, wer Vorteile davon hat.
Also: ich bin für Hände waschen, für weniger engen Kontakt zu anderen Menschen, dafür, dass man schneller zu Hause bleibt, wenn man erkältet ist, um nicht alle Kolleginnen / Kollegen anzustecken.
Aber wenn es nicht mehr ist als eine Grippe, die jedes Jahr im Lande ist….? Also die Grippe habe ich vor einigen Jahren bereits überlebt.
[Verweis zum Video entfernt, weil es inzwischen immer mehr kritische Stimmen dazu gibt und es mehr zu Verwirrung statt zu Aufklärung beiträgt; siehe z. B. Süddeutsche Zeitung: „Krankheiten – Alles ‚Panikmache‘? Thesen eines Lungenarztes im Faktencheck“ und Mimikama: „Die Ansichten des Dr. Wodarg – Coronavirus-Maßnahmen übertrieben?“. Der Administrator]
Ich weiß nicht, was ich von diesem Video und diesem Dr. Wolfgang Wodarg halten soll. Entweder ist das riesengroßer Leichtsinn und Verharmlosung erster Güte oder aber er wird irgendwann recht behalten. Bis dahin sind aber weder Panikmache noch Verharmlosung wünschenswert. Dass sich unter den Kommentatoren auch die üblichen Verschwörungstheoretiker befinden, qualifiziert das Video auch nicht gerade.
Allerdings wollte ich mit meinem Beitrag auch eher auf die humoristische Komponente und den Irrsinn der Panik hinweisen und nicht darauf, „wie viel davon Panik und wie viel berechtigt ist“! Und übrigens: Vorhin hatte ich erneut kein Toilettenpapier mehr bekommen, und das schon am frühen Nachmittag! Ich stelle mir vor, wie die Leute schon morgens vor der Öffnung der Läden dort Schlange stehen und sich dann um das Klopapier prügeln. Das halte ich für bedenklicher, in meiner Vorstellung aber auch für ziemlich witzig – wenn es nur nicht so ernst wäre!
Zum Thema Wodarg hier ein Text des Klimaforschers Stefan Rahmstorf, der sich seit langem mit Klimawandelleugnern herumschlägt und mit deren Argumentationsmustern bestens auskennt:
„Ich erkenne daher die Machweise und Argumentationsmuster solcher Beiträge, die ein Laienpublikum davon überzeugen sollen, böse Wissenschaftler würden aus Eigeninteresse Panikmache betreiben, und in Wahrheit sei alles komplett anders als die Wissenschaft sagt. Das Video von Wodarg ist eben gerade kein ernst zu nehmender Beitrag zu einer Sachdiskussion unter Experten – unter denen es selbstverständlich auch ein Spektrum unterschiedlicher Einschätzungen gibt.“
https://scilogs.spektrum.de/klimalounge/wissenschaftsleugnung-in-zeiten-von-corona/
Der von mir inzwischen entfernte Verweis auf ein YouTube-Video wies zwar auf ein anderes als das im Rahmstorf-Beitrag besprochene hin, aber dessen Tendenz ist identisch. Von einer erneuten Verlinkung möchte ich daher aber absehen.
Danke für die Ergänzung, allerdings bitte ich die Leserschaft auch darum, zukünftig keine Kommentare mehr bezüglich irgendwelchen Wodarg-Beiträgen abzugeben. Thema hier ist nicht er, sondern Nudeln und Toilettenpapier!
Weder Panik noch Verharmlosung…
Für die Kommentatoren unter dem Beitrag kann ja der betreffende Arzt nichts. Zumindest hat er ja eine durchaus interessante Vergangenheit als Facharzt, Seuchenspezialist, Politiker bis auf EU-Ebene.
Die Sache mit dem Toilettenpapier ist aber schon richtig ärgerlich. Ohne Nudeln könnte ich ja klarkommen, aber Klopapier braucht man ja doch hin und wieder. Habe heute gelesen, man könne dafür die BILD nehmen, aber davon wird das Hinterteil blutig (bei dem was alles drin steht )
Die „Bild“ hinterlässt am Hinterteil vor allem rote und schwarze Streifen, außerdem verstopft sie Abwasserrohre und Kläranlagen! Wer will das schon?
Wasser und Seife. Im Ernst: Klopapier ist durch Wasser und Seife zu ersetzen. Klopapier braucht eigentlich niemand. Eher ein Bidet.
Ein solches hat nur so gut wie niemand, ich auch nicht. Die Vorzüge eines Bidets konnte ich allerdings in Nordafrika (ehemalige französische Kolonien) genießen. Zur „groben Vorreinigung“ wäre aber selbst dort Klopapier zu empfehlen (ein Bidet dient nur zur endgültigen Reinigung). Und das finde ich seit über einer Woche nicht mehr!
Mit Nudeln war der kleine Bioladen bei mir in der Nähe zumindest vor zwei Wochen noch gut bestückt. In den Supermärkten sind hingegen neben Nudeln auch diverse Konserven, Mehl und auch Tiefkühlprodukte recht rar geworden.
Was mich wundert ist, dass es überall noch reichlich Alkoholika zu kaufen gibt. Warum hamstern das die Leute denn nicht? Ich meine, häusliche Charantäne ohne Bier oder so wäre doch auch nicht schön, für manche Menschen gar unerträglich, oder wie jetzt?
Nudeln aus dem Bioladen sind für den Durchschnitts-Hamsterer auch viel zu teuer, ähnlich den anfangs in den Supermärkten noch reichlich vorhandenen Vollkornnudeln. Aber zum Thema Alkoholika: Deswegen empfehle ich unten in meiner Notiz auch die Alternative zu Nudeln und Toilettenpapier „Kalsarikänni: sich betrinken wie ein Finne“!
Übrigens habe ich kürzlich aufgeschnappt, dass bei den Franzosen zurzeit Wein und Kondome hoch im Kurs sein sollen. Was sagt der Vergleich mit dem, was bei uns gehortet wird, nur über unser Land aus?
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