NPD zieht in Landtag ein
Zugegeben, aktuell ist die Meldung nicht: NPD zieht in Landtag ein. Sie ist ziemlich genau 50 Jahre alt. Die Reaktionen darauf ähneln aber auf verblüffende Weise solchen aus der heutigen Zeit – auf die AfD.
Am 30. April 1968, also bis fast auf den Tag genau vor 50 Jahren, zog die rechtsextreme Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) mit 9,8 Prozent Wählerstimmen in den Landtag von Baden-Württemberg ein. Das Wahlergebnis war für die Partei das bislang erfolgreichste bei einer überregionalen Wahl in der Bundesrepublik. Es stellte gleichzeitig einen Höhepunkt dar, denn an diesen Erfolg konnte sie dort nie wieder anschließen. Der erhoffte Einzug in den Deutschen Bundestag im Jahr 1969 scheiterte mit nur 4,3 Prozent der Stimmen. (Nebenbei bemerkt: Im Jahr 2004 konnte die NPD mit 9,2 Prozent der Stimmen auch zum ersten Mal in den Sächsischen Landtag einziehen. Bei der darauf folgenden Landtagswahl 2009 gelang ihr mit 5,6 Prozent der Wiedereinzug, bevor sie bei der Landtagswahl 2014 knapp an der 5-Prozent-Hürde scheiterte. Aber wir beschäftigen uns hier wegen der Parallelen zu heute nur mit Baden-Württemberg.)
Reaktionen auf das Wahlergebnis der NPD
Nicht nur im Ausland, wo der Wahlerfolg der NPD, der übrigens „aus dem Stand heraus“ erfolgte (!), mit „großer Bestürzung“ und mit Besorgnis über „ein bedrohliches Wiederaufleben des nationalsozialistischen Geistes“ kommentiert wurde, auch in Deutschland reagierte die etablierte Politik.
So appellierte der damalige Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, dessen frühere Mitgliedschaft in der NSDAP kurz vorher an den Tag kam, dass „jeder in seinem Bereich“ den Kampf gegen die NPD aufnehmen solle. Allerdings führte der vormalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg (bis 1966) den Wahlerfolg der NPD auch auf die „jahrelange Hetze gegen die eigene Geschichte und das gesunde Selbstvertrauen“ des deutschen Volkes zurück. Vom damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger, später ebenso der NSDAP-Mitgliedschaft überführt, sind keine Reaktionen überliefert.
In einem Leitartikel in der Frankfurter Rundschau sah der frühere Redakteur und Ressortleiter Karl-Hermann Flach die Ursache für den Wahlerfolg in der durch „die Große Koalition nicht beseitigte[n] Lücke zwischen Wort und Wahrheit in unserer Politik“ begründet.
Die Parallelen zu heute
Die Parallelen zu heute sind unverkennbar! Die aktuellen Wahlerfolge der Alternative für Deutschland (AfD) werden, diesmal allerdings von der Partei und ihren Anhängern selbst, ebenso gern auf einen vermeintlich falschen Umgang mit der Geschichte, hier besonders der Nazizeit und des Faschismus, zurückgeführt. Und hat sich an der „nicht beseitigte[n] Lücke zwischen Wort und Wahrheit in unserer Politik“ der auch heute regierenden Großen Koalition etwas geändert? Auch diese vermag die AfD für ihre Zwecke zu nutzen.
Geschichte wiederholt sich?
Nein, das tut sie nicht. Aber aus der Geschichte nichts zu lernen, das gehört wohl dazu, wenn es heute zwar nicht heißt: NPD zieht in Landtag ein, sondern: AfD zieht in Landtage und in den Bundestag ein! Und dass die AfD nach rechts grenzenlos offen ist, wurde hier schon behandelt.
(Zitate aus der Frankfurter Rundschau vom 30. April 2018, die aus Anlass von 50 Jahren ’68 an jedem Tag dieses Jahres aus alten Ausgaben des Jahres 1968 zitiert.)
Weitere Verweise
und zu weiteren Ähnlichkeiten zwischen früher und heute
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