Der 9. November, ein Schicksalstag
Heute ist der 9. November, auch ein Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Es fanden an diesem Tag aber gleich mehrere Ereignisse statt, die für Deutschland von schicksalhafter Bedeutung waren. Deshalb widmen wir diesem Tag einen eigenen Beitrag.
Ein Schicksalstag für die Republik
Heute, am 9. November, begehen wir den Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Doch an diesem Tag fanden viele weitere Ereignisse statt, die für Deutschland und die Republik von entscheidender Bedeutung waren. Widmen wir diesem Tag einen eigenen Bericht. Schließlich wird unsere Demokratie hundert Jahre alt!
Der neunte November wird auch als „Schicksalstag der Deutschen“ bezeichnet, wobei anzumerken ist, dass dieser Begriff auch kritisiert wird. Schließlich handelt es sich bei den zu erinnernden Ereignissen nicht um solche, „die als von göttlichen Mächten vorherbestimmt (geschickt) oder von Zufällen bewirkt empfunden werden, mithin also der Entscheidungsfreiheit des Menschen entzogen sind“ (Wikipedia: Schicksal; externe Verweise öffnen in neuem Fenster). Es sind menschengemachte Geschehnisse!
9. November 1989: Tag des Mauerfalls
So begehen wir heute den Jahrestag des Mauerfalls zwischen den beiden deutschen Staaten. Während einer inzwischen berühmt gewordenen Pressekonferenz gab SED-Chef Günter Schabowski bekannt, dass ein neues Ausreisegesetz in Kraft treten werde – „nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich“ –, nachdem es zuvor immer wieder zu Massenkundgebungen gekommen war.Die Mauer fiel zwar wortwörtlich in der Nacht vom 9. auf den 10. November noch nicht, aber sie wurde immerhin und wenigstens geöffnet.
9. November 1938: Pogrome gegen Juden
Gehen wir schrittweise weiter zurück in die Geschichte. Ebenfalls in der Nacht vom 9. auf den 10. November, diesmal im Jahre 1938, fand eines der beschämendsten Ereignisse der jüngeren deutschen Geschichte statt: die sogenannte „Reichspogromnacht“ oder (so zynisch konnten nur die Nationalsozialisten sein:) „Reichskristallnacht“. Die Pogrome markieren den Übergang von der seit 1933 herrschenden Diskriminierung der deutschen Juden hin zur systematischen Verfolgung, die schließlich in den Massenmord mündete. Vom 7. bis 13. November 1938, den Novemberpogromen, wurden Hunderte ermordet oder in den Suizid getrieben, über 1 400 Synagogen und sonstige Versammlungsräume sowie tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe zerstört, ab dem 10. November ungefähr 30 000 Juden in Konzentrationslagern inhaftiert, wo Hunderte ermordet wurden oder an den Folgen der Haft starben.9. November 1923: Hitlerputsch
Noch etwas weiter zurück liegt der Hitlerputsch, auch Hitler-Ludendorff-Putsch, Bürgerbräu-Putsch oder „Marsch auf die Feldherrnhalle“ genannt. Es handelte sich hierbei um den am 8. und 9. November 1923 unternommener Putschversuch der NSDAP unter Adolf Hitler und Erich Ludendorff sowie weiteren Beteiligten. Er richtete such gegen die bayerische Landesregierung. Zielsetzung der Putschisten war die Beseitigung der parlamentarischen Demokratie und der Errichtung eines nationalistischen Diktatorialregimes. Die Demokratie erwies sich aber als wehrhaft und schlug den Putsch zurück. Der Zug der Putschisten wurde nämlich von der Landes- und der Bereitschaftspolizei gestoppt. Es fielen Schüsse. Hitler trafen sie leider nicht – und nach seiner Haftentlassung, während der er mit der Niederschrift von „Mein Kampf“ begann, wurde versäumt, ihn wieder nach Österreich abzuschieben.9. November 1918: Ausrufung der Republik
Während der Novemberrevolution 1918 rief am 9. November Philipp Scheidemann die Republik und damit das Ende des Kaiserreichs aus. Gleichzeitig war es die Geburtsstunde der Weimarer Republik, der ersten Republik, die den gesamten deutschen Nationalstaat umfasste. Auch hier fanden vorher wochenlange Massendemonstrationen und ein Generalstreik statt. Das Militär war nicht mehr gewillt, auf Landsleute zu schießen. Kaiser Wilhelm II. musste abdanken und fliehen. Zuvor musste sich Deutschland im Ersten Weltkrieg geschlagen geben. Einer der Geburtsfehler der Weimarer Republik war es jedoch, dass die neue Regierung und die bürgerlichen Parteien aus Furcht vor einem Bürgerkrieg die alten kaiserlichen Eliten nicht vollständig entmachten, sondern mit den neuen demokratischen Verhältnissen versöhnen wollte. Auch wurde es versäumt, die irregulären, rechtsgerichteten Freikorpstruppen zu entwaffnen. Was sich später rächen sollte …November 1918: Revolution in Bayern
Auch in Bayern fand eine Revolution statt. Aus Massenkundgebung auf der Theresienwiese am 7. November 1918 entwickelte sich ein Marsch auf die Kasernen, bei dem sich Soldaten anschlossen. Gegen 19 Uhr erschienen die ersten Demonstranten vor der königlichen Residenz von Ludwig III. Auch er musste abdanken. Nachdem die Revolutionäre Einrichtungen wie den Hauptbahnhof, Gebäude der Regierung oder militärische Einrichtungen ohne Widerstand besetzt hatten, bildeten sich vielerorts Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte. Bis zu dem Tag, als Kurt Eisner, der Anführer und erste bayerische Ministerpräsident, von einem Nazi in München erschossen wurde. Bis dahin war Bayern das „Musterland“ der deutschen Revolution gewesen. Diese Revolution war nämlich eine wundersam friedliche, weil ohne jedes Blutvergießen durchgeführte! Vor seiner Karriere als Revolutionär und Politiker hatte sich Eisner übrigens als Journalist, Dichter und Schriftsteller einen Namen gemacht. Wie viele andere an der bayerischen Revolution Beteiligte auch.9. November 1848: Hinrichtung von Robert Blum
Bereits viel vorher, in den Jahren 1848 und 1849, waren revolutionäre Ereignisse Teil liberaler, bürgerlich-demokratischer und nationaler Einheits- und Unabhängigkeitsbestrebungen in weiten Teilen Europas. So auch während der deutschen Revolution von 1848/49. In den deutschen Fürstentümern erzwang die Revolution von Berlin bis Wien die Berufung liberaler Regierungen in den Einzelstaaten und die Durchführung von Wahlen zu einer verfassungsgebenden Nationalversammlung, die am 18. Mai 1848 in der Paulskirche in der damals freien Stadt Frankfurt am Main zusammentrat.Am 9. November 1848 wurde Robert Blum bei Wien standrechtlich hingerichtet, obwohl er als Abgeordneter in diesem als Folge der Revolution entstandenen ersten demokratisch gewählten gesamtdeutschen Parlament parlamentarische Immunität besaß. Bis Juli 1849 wurde schließlich der erste Versuch, einen demokratisch verfassten, einheitlichen deutschen Nationalstaat zu schaffen, von überwiegend preußischen und österreichischen Truppen militärisch niedergeschlagen. Die Hinrichtung Blums markiert den Anfang vom Ende dieser Revolution.
Was feiern wir eigentlich?
Betrachten wir diese für die deutsche Demokratie und deren Entwicklung so wichtigen Ereignisse, so kommen wir nicht umhin festzustellen, dass die Republik nicht gerade rauschend gefeiert werden würde. Dabei feiert unsere Demokratie doch ihren einhundertsten Geburtstag! Das Luther- oder das Wagnerjahr waren größer und festlicher begangen worden. Trotzdem ist der 9. November ein magisches Datum.
Dass die Demokratie schon wenige Jahre nach ihrer Ausrufung durch eine schändliche faschistische Diktatur mit all ihren Schrecken ersetzt wurde, sollte Mahnung genug sein. Der 9. November, ein Feier- und ein Trauertag zugleich also!
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